Schutzimpfungen

 

Schutzimpfungen für den Hund? Ein Thema, das in zunehmendem Maße diskutiert wird und besonders unter engagierten Hundehaltern stark polarisierend wirkt.

Hier ein Versuch durch sachliche Aufklärung Ängste und Vorurteile abzubauen - also ein Plädoyer für "Impfen mit Verstand"!

Grundlagenwissen: 

Man unterscheidet aktive und passive Immunisierungen. Die allgemein bekannten und üblichen Schutzimpfungen beim Hund sind aktive Immunisierungen. Aktiv, weil hier das Immunsystem des Hundes selbst Abwehrstoffe bildet, also aktiv wird. In seltenen Fällen wird eine passive Immunisierung durchgeführt, also "fertige Abwehrstoffe" (Antikörper) werden zur Bekämpfung akuter Erkrankungen verabreicht.
Die aktive Schutzimpfung ist im Prinzip nichts anderes als das gezielte Auslösen eines natürlichen Prozesses: Das Abwehrsystem kommt mit einem Krankheitserreger, der spezielle Bindungsstellen (sogenannte Antigene) besitzt, in Kontakt und bildet spezifische Abwehrstoffe (zum Beispiel Antikörper, aber auch "Killerzellen"). Das Problem ist nur, dass beim natürlichen Kontakt mit einem Krankheitserreger dieser sehr oft schon seine krankmachende Wirkung entfalten kann, bevor das Immunsystem abwehrbereit ist. Da das Immunsystem aber in der Lage ist, sich den „Gegner" langfristig zu „merken" und bei einem erneuten Kontakt sofort und meist sehr erfolgreich zu reagieren, können Schutzimpfungen dieses Problem beseitigen. Bei einer Schutzimpfung werden entweder abgeschwächte (lebende, aber nicht mehr krank machende) oder auch abgetötete Erreger verabreicht, die aber trotzdem die Bildung von Abwehrstoffen gegen den natürlichen „krank machenden" Erreger bewirken. Kommt der Hund also (zum Beispiel durch einen erkrankten Artgenossen) später in Kontakt mit dem Krankheitserreger, so kann dieser in der Regel vernichtet werden, ehe es zur Erkrankung kommt - der Hund bleibt gesund!
Den Erfolg einer Impfung beeinflussen natürlich viele Faktoren:

  • Beim Welpen ist das Abwehrsystem oft noch nicht völlig ausgreift und auch Abwehrstoffe der Mutter können sich noch im Blut befinden. Der Impfeffekt kann dadurch in unterschiedlichem Maße negativ beeinflusst werden. Wiederholungsimpfungen zu einem späteren Zeitpunkt sind daher unumgänglich.
  • Viele Impfstoffe können ihre optimale Wirkung nur entfalten, wenn das Immunsystem wiederholt Kontakt mit den Antigenen hat, die vorgesehenen Termine der Wiederholungsimpfungen also eingehalten werden. Dies gilt besonders für die Grundiummunisierungen beim jungen Hund.
  • Akute oder chronische Krankheiten können das Abwehrsystem belasten und dadurch die Wirkung von Impfungen beeinflussen.

Impfstoffe:

Lebendimpfstoffe enthalten abgeschwächte aber lebende und vermehrungsfähige Erreger. Ihr großer Vorteil ist eine stark aktivierende Wirkung auf das Abwehrsystem. Allerdings können sie bei sehr abwehrschwachen Tieren (sehr junge Welpen, kranke Hunde) im Extremfall eine Infektion auslösen. Einige Krankheitserreger sind auch so gefährlich, dass man grundsätzlich keinen Lebendimpfstoff herstellt.
Inaktivierte Impfstoffe enthalten nicht mehr vermehrungsfähige Krankheitserreger, oft sogar nur noch die für die Abwehr wichtigen Teile eines Erregers. Sie können daher auch bei geschwächter Abwehr nicht „krankmachend" wirken, das Immunsystem wird aber auch nicht so stark aktiviert. Daher enthalten diese Impfstoffe Adjuvantien (Hilfsstoffe zur Verstärkung der Immunantwort) und es sind unter Umständen häufigere Wiederholungsimpfungen nötig.
Toxoid-Impfstoffe enthalten abgeschwächte Gifte, gegen die der Organismus ein Antitoxin bilden soll. Diese spielen beim Hund selten eine Rolle, wohl aber in der Humanmedizin (Tetanus- und Diphterieimpfstoff).
Impfstoffe (auch als Vakzine bezeichnet) stehen als Einzel- oder Kombinationspräparate zur Verfügung. Üblich ist die Verabreichung von 4fach- bis 7fach-Kombinationen, die also gegen mehrere Krankheitserreger gleichzeitig Schutz bieten.
Die Abkürzungen auf dem Klebeetikett im Impfausweis zeigen an, gegen was der Impfstoff wirksam ist:
S (Staupe), H oder H.c.c. (Hepatitis=Leberentzündung), L (Leptospirose), P (Parvovirose), P oder Pi (Parainfluenza =virusbedingter Zwingerhusten), T (Tollwut) usw.
Es wird zwischen sogenannten Core- und Non-Core-Komponenten in Impfstoffen unterschieden.
Core-Komponenten (=Kernbestandteile) führen zu einer Immunisierung gegen besonders verbreitete und gefährliche Erreger, gegen die jeder Hund geschützt sein sollte. Hierbei handelt es sich um

  • Leptospirose
  • Parvovirose
  • Staupe
  • Tollwut*
  • (HCC)**.

* Aufgrund der Besserstellung geimpfter Hunde im Falle eines Tollwutverdachtes.
** Die Impfung gegen HCC (Hepatitis contagiosa canis) wird nur noch bedingt empfohlen, da dank der konsequenten Impfpraxis der Erreger in Westeuropa derzeit nur noch selten vorgefunden wird.

Non-Core-Komponenten immunisieren gegen weitere Krankheitserreger, mit denen Hunde abhängig von ihren Lebensumständen in Kontakt kommen können.
Hierzu zählen Impfstoffe gegen

  • Zwingerhusten (Bordetella bronchiseptica oder/und Canines Parainfluenzavirus - CPiV)
  • Lyme-Borreliose
  • Leishmaniose
  • Fruchtbarkeitsstörungen durch canines Herpesvirus (CHV-1)
  • Pilzinfektionen der Haut (Dermatophytose, Mikrosporie, Trichophytie)

Alle Impfstoffe enthalten zusätzliche bestimmte Konservierungsmittel und evtl. auch Adjuvantien ("Wirkungsverstärker").
Die oben genannten Angaben kann man der Beschriftung des Impfstoffes und natürlich dem Beipackzettel entnehmen. Auf Letzterem stehen auch Hinweise zur Verträglichkeit und zu eventuellen Nebenwirkungen. Beraten Sie sich bitte mit Ihrem Tierarzt, welcher Impfstoff bzw. welche Impfstoffkombinationen für Ihren Hund sinnvoll und geeignet sind.

    


Impfschema:

2006 konstituierte sich die Ständige Impfkommission Vet. (StIKo Vet.) im Bundesverband Praktizierender Tierärzte, die in Deutschland Empfehlungen für die Durchführung von Schutzimpfungen auf der Basis der aktuellen wissenschaftlichen und pharmakologischen Erkenntnisse erstellt.
In den aktuellen Leitlinien (vom Dezember 2016) wird folgende Vorgehensweise empfohlen:
Grundimmunisierung:

  • 8. Lebenswoche:  Leptospirose, Staupe, Parvovirose (in parvogefährdeten Zuchtstätten wird eine zusätzliche Impfung im Alter von 6 Wochen empfohlen), (HCC)
  • 12. Lebenswoche:  Leptospirose, Parvovirose, Staupe, (Tollwut), (HCC)
  • 16. Lebenswoche:  Parvovirose, Staupe, (HCC)
  • 15. Lebensmonat: Leptospirose, Parvovirose, Staupe, (ggfs. Tollwut je nach Impfstoff) (HCC)

Der Zeitpunkt der ersten Tollwutimpfung ist umstritten. Oft wird sie mit der Wiederholungsimpfung im Alter von 12 Wochen kombiniert. Um das Immunsystem nicht unnötig zu belasten führen andere Tierärzte sie erst später durch (mit 4 bis 6 Monaten). Für den Hund selbst ist das in der Regel sicher günstiger, da Kontakt mit tollwütigen Tieren in der Welpenzeit wohl eher selten zu erwarten ist. Allerdings darf der Besitzer dann an zahlreichen Veranstaltungen mit Hund nicht teilnehmen, weil hierfür eine Tollwutimpfung (mindestens vier Wochen alt) von den Behörden vorgeschrieben ist.

Wiederholungsimpfungen:

Der Impfschutz muss regelmäßig aufgefrischt werden. Der Standard einer jährlichen Wiederholungsimpfung ist allerdings überholt, je nach Impfstoff wurden die Empfehlungen durch die StIKO differenziert. So gibt es nun zum Beispiel Tollwutschutzimpfungen, die eine Gültigkeit von drei Jahren haben, dies muss allerdings eindeutig aus der Packungsbeilage des Impfstoffes hervorgehen und so auch im Impfausweis des Hundes dokumentiert werden. Für HCC, Parvovirose und Staupe werden Wiederholungsimpfungen ab dem 2. Lebensjahr in dreijährigem Rhythmus als ausreichend betrachtet.

Mit der Impfung gegen "Zwingerhusten" verhält es sich übrigens so ähnlich wie mit der Grippeschutz-Impfung beim Menschen, sie gehört daher auch zu den Non-core-Komponenten. Es gibt verschiedene, sich auch ständig wandelnde Erreger (Viren: Canines Parainfluenzavirus  und Bakterien: Bordetella bronchiseptica), so dass eine Impfung keinen sicheren Infektionsschutz bieten kann. Oft wird aber zumindest beobachtet, dass geimpfte Hunde mildere Verlaufsformen der Krankheit zeigen.

Bitte beraten Sie sich ausführlich mit Ihrem Tierarzt, um Ihrem Hund unnötige Impfungen und die damit verbundenen Belastungen des Immunsystems zu ersparen. Beispielsweise besteht die Möglichkeit, durch relativ einfache Blutuntersuchungen den bestehenden Impfschutz zu überprüfen. Dabei wird das Vorhandensein von Abwehrstoffen (Antikörpern) gegen die verschiedenen Krankheitserreger ausgetestet. Wenn die Antikörper in entsprechender Menge nachweisbar sind, ist noch keine Wiederholungsimpfung notwendig. Bitte besprechen Sie alle Einzelheiten mit Ihrem Tierarzt.
ACHTUNG: Für die Teilnahme an (fast) allen Veranstaltungen mit Hund (Hundeschule, Ausstellungen, Leistungsprüfungen etc.) sowie Reisen ins Ausland wird eine gültige Tollwutschutzimpfung meist zwingend vorgeschrieben, lassen Sie sich also den Zeitraum der Gültigkeit im Impfausweis unbedingt vermerken!
    


An alle Gegner von Schutzimpfungen - Vorsicht polemisch!

So viele Menschen - so viele Meinungen... und oft haben alle Seiten stichhaltige Argumente für sich. Gerne lasse ich das für viele Streitpunkte in der Hundehaltung gelten - aber nicht in der Diskussion um den Sinn von regelmäßigen Schutzimpfungen! Leider gibt es einen Trend zur „Impfverweigerung" und Hundehalter, die sehr stolz darauf sind, ihrem „Bio-Hund" diesen „unnatürlichen" Eingriff zu ersparen.
Argumentiert wird mit den möglichen Nebenwirkungen von Schutzimpfungen. Diese gibt es unstrittig, wenn sie auch bei den "Standard-Impfungen" relativ selten auftreten. Aber leider wird in der Argumentation vergessen, dass genau die gleichen "Nebenwirkungen" auch im Verlauf ganz banaler Infekte auftreten können, weil sie auf prinzipiellen "Funktionsmustern" unserer Abwehr basieren. Hier ist vor allen Dingen an sogenannte Autoimmunerkrankungen zu denken, eine Fehlreaktion unserer Abwehrzellen, durch die Antikörper oder "Killerzellen" gegen körpereigene Strukturen entstehen. Dies ist in der Medizin eine gefürchtete Folgereaktion von Infektionskrankheiten (z.B. nach bestimmten Streptokokkeninfektionen aber auch nach grippalen Infekten). Leider berichtet darüber aber kein "Schwarzbuch", wohl aber über solche - im seltenen Einzelfall wirklich tragischen! - Reaktionen auf Impfstoffe.
Gehen wir also „zurück zur Natur" und vermeiden Schädigungen unseres Hundes durch die Impfstoffnebenwirkungen? Natürlich wäre es in dem Fall, dass sich wieder Epidemien ausbreiten! Natürlich wäre, dass innerhalb kürzester Zeit tausende Hunde an Staupe erkranken, schwere dauerhafte Gesundheitsschäden erleiden oder sogar sterben. Natürlich wäre, dass ganze Würfe an Parvovirose zugrunde gehen! Und genau so natürlich war es früher, dass Kinder häufig an Diphterie starben und Millionen Menschen den großen Seuchenzügen des Mittelalters zum Opfer fielen. "Unnatürlich" ist nebenbei bemerkt ebenso eine Behandlung von Infektionskrankheiten mit Antibiotika (die im übrigen auch eine Menge Nebenwirkungen haben).
Also lassen wir der Natur ihren Lauf und warten ab, ob „Hasso" überlebt? Die Wenigsten werden wohl so weit gehen wollen...
Viele Impfgegner erliegen einem einfachen Trugschluss: Die lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten, gegen die unsere Hunde geimpft werden sollten, treten hierzulande relativ selten auf - und zwar weil sehr viele Hunde geimpft sind! Daher hat ein einzelner nicht geimpfter Hund eine gute Chance gesund zu bleiben (aufgrund des geringen Infektionsrisikos). Werden aber dank dieser neuen „Philosophie" bald viele Hunde nicht mehr geimpft, dann werden die Krankheitserreger (die ja nicht ausgerottet sondern nur zurückgedrängt sind) so schnell zurückkehren, wie sie verschwunden sind! Die StIKo Vet nennt ein Durchimpfungsniveau einer Tierpopulation von über 70% für angemessen, um den Ausbruch  von Epidemien zu vermeiden.
Um nicht missverstanden zu werden: Sicherlich gibt es medizinisch begründete Einzelfälle, in denen ein Hund nicht geimpft werden sollte (zum Beispiel bei bestimmten Immunschwächen, während der Behandlung mit abwehrschwächenden Medikamenten etc.). Aber ein gesunder Hund muss (nicht nur im eigenen Interesse) auch einen Impfschutz erhalten!
Anstelle Schutzimpfungen also einfach zu verdammen, sollten diese engagierten Hundehalter lieber darauf hinwirken, dass die Pharmaindustrie deren Verträglichkeit und Spezifität immer weiter verbessert und den aktuellen epidemiologischen Bedingungen anpasst. So könnten unsere Hunde gezielter geimpft und die  Abstände zwischen den notwendigen Wiederholungen verlängert werden können.