Weiße Abzeichen : Piebald, Mantel und co. - 2007: Die Identifikation des MITF-Genes als Verursacher der weißen Abzeichen

2007: Die Identifikation des MITF-Gens als Verursacher der weißen Abzeichen

Mehrere Forschungsgruppen identifizierten im Jahre 2007 den auf dem Chromosom 20 liegenden sogenannten „Microphthalmia-Associated Transcription Factor“ (MITF) als verantwortlich für das Auftreten von weißen Abzeichen bei mehreren Hunderassen wie Beagle-Kreuzungen, Neufundländer (Rothschild MF, 2006), Boxer (Leegwater PA, 2007), (Karlsson EK, 2007) sowie Bullterrier,  Dalmatiner und Cavalier King Charles Spaniel (Karlsson EK, 2007). Das MITF-Gen spielt unter anderem eine Rolle bei der Entwicklung von Pigmentzellen (Melanozyten). Es stellte sich heraus, dass eine bestimmte Mutation dieses Genes mit der Entstehung von weißen Abzeichen zusammenhängt.

 

********* Achtung! Molekulargenetischer Einschub *********

****** Nur für Hardcore-Genetiker ******

Die Mutation besteht in einer Insertion: Ein sogenanntes SINE (short interspersed nucleotide element), eine Reihe zusätzlicher Basenpaare, befindet sich an einer bestimmten Stelle des MITF-Genes, um genau zu sein, 3167 Basenpaare vor dem Startcodon des Exons 1M. In der wissenschaftlichen Literatur findet man daher häufig anstelle der Bezeichungen S und s Begriffe wie SINE-  und SINE+ oder del und ins. Genaugenommen besteht des Weiteren auch die Möglichkeit, dass diese SINE-Insertion selber mit der Bildung der weißen Abzeichen gar nichts zu tun hat, sondern nur ein sogenannter Marker einer anderen Mutation ist, die dies bewirkt: In diesem Fall läge die SINE-Insertion so nah bei der wirksamen Mutation, dass beide stets zusammen vererbt werden, und würde aus diesem Grund als ihr Marker bezeichnet.

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Das Vergleichen der An- bzw. Abwesenheit der Mutation auf einem (heterozygot) oder beiden (homozygot) Chromosomen des Chromosomenpaares 20 der untersuchten Tiere mit deren Phänotyp, d.h. dem Auftreten von weißen Abzeichen, ließ den Schluss zu, dass hier ein intermediärer Erbgang mit zwei Allelen vorliegt, vergleichbar dem Erbgang des Merle-Gens: Das Allel S des Piebald-Gens MITF besitzt nicht die Mutation und bewirkt ein überwiegend durchgefärbtes Haarkleid, während als Allel s die mutierte Form bezeichnet wird, die für die Bildung weißer Abzeichen verantwortlich ist.

Es scheinen demnach nach aktuellen Kenntnissen nicht zwei verschiedene Allele sw und sp vorzuliegen: Die gefundene Mutation kann vielmehr alle Phänotypen bilden, die diesen beiden Allelen von Little zugeordnet wurden. Der Nachweis des von Little postulierten Alleles si gelang bislang nicht, und es ist nicht geklärt, ob es sich hier um ein weiteres Allel des MITF-Genes handelt, oder aber um ein anderes Gen.

Zusammenfassung:
Das Piebald-Gen spielt eine Rolle bei der Bildung von Melanozyten. Seine molekularbiologische Bezeichnung lautet
"Microphthalmia-Associated Transcription Factor" (MITF).


Allele (nach derzeitigem Kenntnisstand):

Abkürzung Klassische Bezeichung Molekularbiolgische Bezeichung Erläuterung
Allel S Allel Solid   unmutierte "Wildform" des MITF-Gens
Allel s Allel piebald SINE-Insertion

Mutation, des MITF-Gens, die für weisse Abzeichen verantwortlich ist

 Allel si oder unabhängiges Gen

Allel oder Gen für "Irish Spotting" oder Mantel

  Hypothetisches unabhängiges Gen oder Allel des Piebald-Gens, das die Mantelzeichnung bei Hunden verursacht die für das piebald-Allel negatif sind

 

Allele des Piebald-Gens nach Karlsson et al.

Wir wollen zunächst festhalten, dass Piebald sich also grundsätzlich ganz ähnlich wie Merle verhalten kann und drei Genotypen existieren, die sich wie beim intermediären Erbgang üblich in drei deutlich unterscheidbaren Phänotypen niederschlagen können: Der homozygote Genotyp SS wird durchgefärbt sein so wie der homozyot Merle-freie Hund mm keinerlei Merle-Aufhellung aufweist. Die heterozygote Form Ss  weist oft mehr oder weniger ausgeprägte weiße Abzeichen auf, so wie der „klassische“ Mm-Merle Grundfarbe und aufgehellte Zonen besitzt. Die homozygoten Genotypen ss und MM bewirken beide den Phänotypen mit dem jeweils höchsten Anteil an Weiß.

Leider ist jedoch die phänotypische Ausbildung des Genotyps beim Piebald-Gen erheblich grösseren Variationen und Einflüssen unterworfen als diejenige des Merle-Gens: Ist es im Regelfall recht einfach zu erkennen ob ein Hund Merle (Mm), Doppelmerle (MM) oder eben kein Merle (mm) ist, sieht das beim Piebald-Gen aus mehreren Gründen völlig anders aus: Einerseits kann der gleiche Genotyp bei verschiedenen Rassen und selbst bei verschiedenen Hunden der gleichen Rasse deutlich unterschiedliche Phänotyp erzeugen und andererseits können unterschiedliche Piebald-Genotypen identische Phänotypen erzeugen. Zudem gibt es auch weißen Abzeichen, die offensichtlich nicht durch die Mutation des Piebald-Genes erzeugt werden. Wir werden das im Folgenden an mehreren Beispielen aufarbeiten, damit diese Zusammenhänge klarer werden.