Countdown DCM - Beitrag II: Forschungsbedarf und Zuchtlenkung - ein Widerspruch ?

Nach der Präsentation der ersten Ergebnisse von Jan Gerd Kreskens Langzeittudie zur DCM der Deutschen Dogge im Rahmen des Kongresses “Experten erklären” im Oktober 2012 und dem kurz darauf verkündeten Schulterschluss zwischen Dr. Kresken und dem DDC war Grund zur Hoffnung gegeben, dass bis zu der ein Jahr später stattfindenden Hauptversammlung des DDC ein auf der Einführung einer Herzschallpflicht beruhendes sinnvolles Zuchtprogramm zur Bekämpfung der DCM erarbeitet worden sein wird.

Leider profilieren sich im Vorfeld der HV im Rahmen der Suche nach einem mehrheitsfähigen Antrag Hinweise auf das Zustandekommen einer möglichst zuchtselektionsdruckfreien Herzschallpflicht  – Schallen light sozusagen. Dieser Eindruck wurden nun bestätigt durch die Veröffentlichung eines Artikels von JG Kresken in der uDD-Ausgabe April 2013.

Von einer Gesundheitsorientierung der Zuchtpolitik ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht einmal die Rede... es wird vielmehr eine Datenerhebungsphase eingefordert, um genauere Informationen zur Bedeutung der DCM bei den Deutschen Doggen des DDC zu erhalten. Ein unstillbarer Hunger nach absolut unanfechtbaren Forschungsergebnissen befällt den Rassenclub offenbar dann, wenn durch deren Einforderung die Einführung zuchthygienischer Massnahmen hinausgezögert werden kann.

Traut man den wahlberechtigten Delegierten tatsächlich so wenig Einsicht und Liebe zur Deutschen Dogge zu, dass diesen eine Vorsorgeuntersuchung zum Nachweis einer zweifelsohne bedeutsamen schweren Erkrankung durch ein Maximum an Zugeständnissen schmackhaft gemacht werden muss ? Beispielsweise indem man ihnen verspricht, der Öffentlichkeit die Ergebnisse der HUS vorzuenthalten, die Ergebnisse also zu anonymisieren. Es wäre hier interessant zu erfahren, wer an einer solchen Vorgabe überhaupt Interesse haben könnte, da ansonsten die Vermutung nahe liegen würde, dass der Erkenntnisprozess hinsichtlich der Notwendigkeit, im Rahmen einer gesundheitsorientierten Zuchtpolitik vollständige Informationen transparent bereitzustellen, bei einem erheblichen Teil der Züchter noch nicht stattgefunden hat. Die optimistische Einschätzung, dass sich die Mehrheit der Züchter nach dem Ergebnis des Herzultraschalls von möglichen Paarungspartnern erkundigen wird, sobald dieser verpflichtend geworden ist, muss man nicht zwingend teilen: Es ist zumindest bislang keine deutliche Tendenz zu erkennen, dass korrekt geschallte Rüden bevorzugt zur Zucht eingesetzt werden.

Zweifellos besteht noch reichlich Forschungsbedarf bezüglich der DCM bei der Dogge, jedoch ebenso zweifellos nicht hinsichtlich der Frage, ob die DCM ein gravierendes Problem hinsichtlich deren Erbgesundheit darstellt: Die Dringlichkeit der Einführung eines zuchthygienisch wirksamen Programms gegen die DCM ist sicherlich nicht nennenswert davon abhängig, ob deren wahre Prävalenz der deutschen Doggenpopulation nun bei 10, 20 oder 30% liegt.

Dieser Forschungsbedarf steht nun aber in keiner Weise im Widerspruch zu der dringend notwendigen Einführung selektiver Methoden zur Zuchtwahl und dem transparenten Umgang mit Untersuchungsergebnissen… vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Die für eine effiziente Zuchtpolitik notwendigen flankierenden Maßnahmen sind auch absolut unabdingbar für den Erhalt verwertbarer Zahlen hinsichtlich der Prävalenz. Hier ist insbesondere die Fortsetzung regelmäßiger Herzultraschalluntersuchungen auch über den Zuchteinsatz hinweg (und bevorzugterweise bis zum Alter von mindestens 7 Jahren, ab dem das Auftreten einer DCM nicht mehr als Indikator einer genetischen Belastung gelten muss) zu erwähnen. Endet mit dem Zuchteinsatz auch automatisch die Schallpflicht, ist der Wert der so erhaltenen Daten ausschließlich abhängig vom allgemeinen Willen der Züchter, das DCM-Risiko ihrer Zuchthunde korrekt bewerten und dementsprechend handeln zu können. Weniger verantwortungsvollen Züchtern bietet sich bei solchen Vorgaben hingegen gar die Möglichkeit, Doggen mit positiven (eventuell im Rahmen eines inoffiziellen "Vorschalls" aufgedeckten) Befunden diskret aus der Zucht zu nehmen und auf diese Weise für die eigene Zuchtlinie nach außen die Illusion der DCM-Freiheit zu bewahren. Setzt sich die Tendenz durch, überwiegend junge Zuchthunde zu schallen, erhält man angesichts des oft relativ späten Auftretens von im Herzultraschall erkennbaren Hinweisen auf eine DCM zwangsläufig eine eher geringe Prävalenz, nämlich diejenige der geschallten jungen Altersklasse. Mit der Prävalenz der gesamten Population hat diese Zahl nur sehr wenig gemein, sie liegt vielmehr zwangsläufig deutlich darunter, darauf weist JG Kresken in seinem Beitrag auch hin. Dieser Umstand hat im Rahmen der kurzzeitig eingeführten Schallpflicht im Dobermann-Verein dazu geführt, dass selbige flugs wieder abgeschafft wurde, nachdem die Zahl der Hunde mit positivem Befund als nicht besorgniserregend eingeschätzt wurde: Das Durchschnittsalter der untersuchten Hunde lag dort bei unter drei Jahren… Dies ist ein bemerkenswertes konkretes Beispiel für ein Versagen der freiwilligen Selbstkontrolle der Zuchtvereine.

Eine Schallpflicht, die bis zu einer bestimmten Altersgrenze bestehen bleibt und der transparente Umgang mit den dabei erhaltenen Befunden würde eine Sammlung von verwertbaren Daten zur Prävalenz ermöglichen und gleichzeitig direkt verwertbare zuchtrelevante Informationen für verantwortungsvoll planende Züchter bereitstellen, ohne dass auf Sanktionen (in Form einer Zuchtsperre im Falle von positiven Befunden) zurückgegriffen werden muss. Dieses Vorgehen entspricht auch dem Geiste der Phase Eins des Phasenprogramm zur Bekämpfung erblicher Krankheiten und Defekte der Durchführungsbestimmungen zur Zuchtordnung des VDH. Die Einführung einer ungenügend umrahmten, gar anonymen Schallpflicht hingegen bringt für die mit dem Herzschall betrauten Tierärzteschaft regelmäßig und dauerhaft eine relativ stabil bleibende Zahl von Doggen zur Herzultraschalluntersuchung und für die Doggenzüchter eine schmerzfreie Schallpflicht ohne nennenswerte Folgen für den Erhalt der Zuchtlinien… nur den Doggen selber bringt sie leider überhaupt nichts. Ironie des Schicksals: Nur ein extrem hoher Anteil von DCM-positiven Junghunden könnte möglicherweise ein zwingender Anlass sein, die Bequemlichkeit einer solchen Situation zu verlassen. Andernfalls wird man sich wohl auf eine jahrelange sogenannte „Datenerhebungsphase“ gefasst machen müssen, in der so gut wie keine Verbesserung der Situation zu erwarten ist, sondern stattdessen die dauerhafte Stagnation in diesem Status quo als großer Fortschritt hinsichtlich einer gesundheitsorientierten Zuchtpolitik gefeiert wird.

 

Nachtrag:

Anmerkung zur ARVC beim Boxer:

JG Kresken erwähnt die angebliche Seltenheit der ARVC (Arrythmogene rechtsventrikuläre Cardiomyopathie) beim Boxer in Europa im Vergleich zu den USA als Hinweis auf die Unvergleichbarkeit der Prävalenzen zwischen unterschiedlichen Ländern.
Dieser Rückschluss kann allerdings aus dem vorhandenen Zahlenmaterial nicht gezogen werden:
JG Kresken beruft sich zum Nachweis des seltenen Vorkommens in Deutschland auf die Datenbank des CC, die wohl hauptsächlich auf den Ergebnissen der Schallpflicht in den Boxerclubs BK und IBC eV. beruht, und daher, soweit aus den entsprechenden Zuchtordnungen ersichtlich, in ihrer aktuellen Form gewiss nicht ausreichend ist, um Rückschlüsse auf die Prävalenz zu ziehen.
Des Weiteren ist die ARVC  im subklinischen Stadium beim Schallen befundlos oder weist unspezifische Befunde auf. Darauf hat JG Kresken selber in Vorträgen bereits hingewiesen. Ein 24h-EKG wäre nötig, um sie nachzuweisen…dieses ist aber nicht vorgeschrieben.
Bei dieser Form der Kardiomyopahtie stehen ventrikuläre Arrhythmien, Synkopen und der plötzliche Herztod im Vordergrund. Die für die DCM typische Dilatation des linken Ventrikels tritt im Rahmen dieser Kardiomyopathie erst im Spätstadium auf. Deshalb handelt es sich bei der ARVC um eine eigenständige Form der Kardiomyopahtie.
Es gibt mit anderen Worten keinerlei verlässliche Zahlen zur Prävalenz der ARVC des Boxers in Deutschland. Hingegen gibt es durchaus einen deutlichen Hinweis aus dem europäischen Raum: Die Datenanalyse der Todesursachen bei versicherten Hunden in Schweden, die auch vom Autor erwähnt wird, allerdings interessanterweise nicht im Zusammenhang mit der herzbedingten Mortalität beim Boxer ( (Egenvall A, 2006)): Diese Rasse befand sich dort in der aus 12 Rassen bestehenden Risikogruppe für einen herzbedingten Tod: Auf dem 9. Platz, zwei Plätze hinter dem Dobermann…