Countdown DCM - Beitrag I: Die Sache mit der Prävalenz der DCM bei der deutschen Deutschen Dogge...

Im Hinblick auf die aktuellen Diskussionen rund um DCM und ihrer Bedeutung in der Doggenzucht sowie die prinzipiell erfreuliche Tatsache, dass der DDC 1888 e.V. sich diesem Thema in Zusammenarbeit mit Fachleuten zuwenden möchte, beabsichtigt "Doggen.info", die Entwicklung möglichst aktuell zu begleiten. Der erste Beitrag dieser Reihe beschäftigt sich mit dem derzeitigen Erkenntnisstand zur Häufigkeit dieser tödlichen Krankheit und den daraus bereits heute möglichen Schlussfolgerungen.

Es gibt mehrere Veröffentlichungen, in denen das stark vermehrte Vorkommen der DCM bei der Deutschen Dogge beschrieben wird (siehe Beitrag "Bedeutung der Dilatativen Cardiomyopathie bei der Deutschen Dogge"). Die üblichen Einwände angesichts der bereits vorliegenden Zahlen sind, dass sie entweder nicht auf der Untersuchung der deutschen Doggenpopulation beruhen oder aber Verzerrungen durch die Auswahl der Hunde vorliegen.

Wie sind diese Einwände zu bewerten ?
Wissenschaftliche Publikationen  mit absolut objektiven Zahlen zur Prävalenz von Erberkrankungen bei Hunden bestimmter Rassen sind selten, da in der Regel methodisch bedingt gewisse Verzerrungen bei der Auswahl der untersuchten Hunde vorhanden sind, ihre Zahl limitiert ist oder die gesammelten Informationen nicht komplett sind. Eine optimale Repräsentativität liegt so gut wie nie vor. Würde man nun für jede von der wissenschaftlichen Gemeinschaft als rassespezifisch anerkannte Erberkrankung zusätzlich eine wissenschaftlich einwandfreie Erstellung der Prävalenz der clubeigenen Population fordern, bevor Maßnahmen zu deren Bekämpfung ergriffen werden, wären solche Maßnahmen bis zum heutigen Tage wohl quasi inexistent. Glücklicherweise ist das nicht der Fall, denn es ist in keiner Weise unabdingbar (und nebenbei gesagt schlicht unmöglich), die Prävalenz einer Erberkrankung - im vorliegenden Fall der DCM - aufs Exakteste zu bestimmen, um ihre Bedeutung als übermäßig häufige Todesursache eindeutig zu erkennen.
Das Thema der Bedeutung der Prävalenz für den konkreten Fall der DCM lässt sich mit drei Fragen umreissen:

  • Kennen wir die genaue Prävalenz der DCM bei Deutschen Doggen in den dem VDH unterstehenden Zuchtverbänden?
  • Können in einer Datenerfassungsphase alle Anforderungen erfüllt werden, die zur exakten Bestimmung dieser Prävalenz nötig wären?
  • Müssen wir diese Prävalenz genau kennen, um zum Schluss zu gelangen, dass Bekämpfungsmassnahmen gegen die DCM dringend erforderlich sind ?

- Alle drei Fragen können ohne Zögern mit “Nein” beantwortet werden.
In der Tat sind die vorliegenden Zahlen zur Prävalenz der DCM bei Deutschen Doggen aus Schweden oder Großbritannien nicht zu 100% auf die deutsche Doggenpopulation übertragbar. Jedoch müssen sie selbstverständlich konstruktiv in die Überlegungen zur Dringlichkeit der Ergreifung zuchtpolitischer Maßnahmen einfließen: Die Frequenz des Vorkommens der auf die Generation der Gründertiere zurückgehenden Defektallele (der sogenannte “founder effect”) erfährt ohne Frage kleinere Variationen, wenn seit einigen Generationen der Austausch von Hunden gleicher Rasse in verschiedenen Ländern nur sehr begrenzt stattfindet. In Abwesenheit von zuchthygienischen Maßnahmen zu deren Bekämpfung (dies gilt für die DCM bei der Dogge) sind diese jedoch nicht so bedeutsam, dass eine Erberkrankung in einem Land bei einer Rasse hochprävalent, und im anderen so selten ist, dass sie keine Maßnahmen erforderlich machen würde: Es liegen keine Studien vor, in denen nachgewiesen wird, dass geographisch getrennte Subpopulationen der gleichen Hunderasse eine signifikant unterschiedlichen Prävalenz zeigen. Zahlen, die eine extrem hohe Prävalenz der DCM bei der Dogge nachweisen, mit dem Hinweis unberücksichtigt zu lassen, dass diese aus anderen Ländern stammen, ist daher unangebracht und verantwortungslos.
Hinzu kommt in unserem konkreten Fall die Bestätigung einer These der schwedischen Studie durch die von Jan-Gerd Kresken veröffentlichten Zahlen, die auf der Untersuchung von Doggen aus Deutschland beruhen. So betonen Egenvall et al., dass bei einem deutlichen Vorherrschen einer bestimmten Diagnose, wie das hinsichtlich der DCM bei der Deutschen Dogge der Fall ist,  quasi die gesamte Zahl der herzbedingten Todesfälle auf diese Erkrankung zurückzuführen sein sollte. Das diesem Postulat zugrundeliegende Prinzip wird durch die zahlenmässige Verteilung von JG Kreskens Befunde bestätigt: Von den insgesamt 119 Hunden mit Herzbefund hatten 100 eine DCM und nur 19 eine anderen Herzerkrankung (Subaortenstenose, Klappendegenerationen, Mitral- oder Trikuspidaldysplasie). Hinzu kommt, dass die DCM im Gegensatz zu den übrigen diagnostizierten Herzerkrankungen stets tödlich endet, die herzbedingten Todesfälle bei der Dogge in Deutschland also tatsächlich fast ausschließlich auf eine DCM zurückzuführen sein dürften. Die Bestätigung dieses Postulats  ist  insbesondere interessant, da sie nicht nur länderübergreifend ist, sondern auch zwei völlig unterschiedliche Studienansätze miteinander kombiniert.
Die Zahlen von JG Kresken bieten des weiteren die Gelegenheit aufzuzeigen, dass es durchaus möglich ist, die Bedeutung der DCM für die Deutsche Dogge zu beweisen, ohne eine gänzlich unverzerrte Prävalenz nachzuweisen (was wie erwähnt ohnehin illusorisch ist): Der in seiner Arbeit festgestellte Anteil an DCM-erkrankten Doggen von 25,4% entspricht der Prävalenz der DCM im Patientengut einer kardiologischen Überweisungspraxis: Hier unterliegt also die Vorauswahl der untersuchten Hund einer klaren Verzerrung und ist damit nicht repräsentativ für die gesamte Doggenpopulation in Deutschland. Was hingegen überdeutlich aus JG Kreskens Ergebnissen hervorgeht UND absolut unabhängig von der Vorauswahl ist, ist die immense Überrepräsentation der DCM unter allen festgestellten Herzerkrankungen: Über 80%. Sowohl die überragende Bedeutung der DCM für die Dogge als auch deren erblicher Charakter, ohne den ein solch immense Vorherrschaft nicht denkbar wäre, gehen aus diesem Zahlenverhältnis eindeutig hervor.


Als Abschluss des Kapitels zur Suche nach der “deutschen Prävalenz für DCM” möchten wir daran erinnern, dass Zuchtvereine unangenehm hohe Prävalenzen in wissenschaftlichen Publikationen auch schon mal schlicht als unseriös bezeichnen. So bezeichnete der Dobermann-Verein die katastrophalen Werte, die Gerhard Wess bezüglich der DCM bei dieser Rasse veröffentlicht hat und stieg aus dem kurz zuvor begonnenen Zuchtprogramm wieder aus...