Phänotypischer Zuchtwert „Lebensdauer“ und Genomischer Zuchtwert „Langlebigkeit“ beim Berner Sennenhund

Im Jahre 2009 führte der Schweizer Sennenhunde Verein SSV den Zuchtwert „Lebensdauer“ beim Berner Sennenhund ein. Das war eine Premiere und eine Herausforderung sowohl hinsichtlich des Konzeptes als auch bezüglich der praktischen Realisierung. Dr. Reiner Beuing, der das Konzept entworfen hat, erklärt die Strategie zur Berechnung dieses Zuchtwertes auf seiner auch ansonsten sehr informativen Internetseite.

http://www.tg-tierzucht.de/hzucht/publikation/leben_tod_berner.pdf

Basis für die Ermittlung des Zuchtwertes sind eine genügend große Anzahl an Lebend- und Totmeldungen der Hunde, wobei als Lebendsignal sämtliche datierten Ereignisse wie Ausstellungen, Deckakte, HD-Röntgen usw. in die Berechnung einfließen können. Die wichtigste Angabe ist natürlich das Todesdatum.

Nachdem bei der Übernahme der Totmeldungen in eine den Züchtern zugängliche Datenbank im Jahre 2000 mit etwa 550 Einträgen eine sehr geringe Datendichte festgestellt worden war, wurde diese Problematik großflächig von SSV thematisiert und im Jahre 2001 die Verpflichtung für die Züchter eingeführt, das Versterben der von ihnen gezüchtete Hunde zu melden. Zur Abgrenzung zwischen lebenden Hunden und solchen, zu denen keine Information vorliegt, werden diese Informationen mit Lebendmeldungen (siehe oben) ergänzt. Bereits im Herbst 2004 konnte auf diese Weise ein bedeutender Informationsparameter in die Zuchtzulassung aufgenommen werden, und zwar das verpflichtende Vorliegen einer ausreichenden Zahl an Lebend- oder Totmeldungen: Hierzu muss zu 10 von 14 Ahnen bis zur Generation der Großeltern eine solche Meldung vorliegen. Anfang 2009 lagen über 5700 Totmeldungen und mehrerer Tausend Lebendmeldungen vor, und auf dieser Basis konnte der Zuchtwert „Lebensdauer“ eingeführt werden. Im März 2011 wurde die Zahl der Totmeldungen mit 7200 beziffert. Die Rate aller in dieser Form gemeldeten Hunde beträgt 50%, das erstrebte Ziel liegt bei 80%, denn je vollständiger die zugrundeliegenden Daten sind, desto genauer kann der Zuchtwert berechnet werden.


Seit 2011 besteht nun auch die Möglichkeit, den genomischen Zuchtwert „Langlebigkeit“ eines Zuchthundes bestimmten zu lassen. Dieser beruht im Gegensatz zum oben beschriebenen phänotypischen Zuchtwert „Lebensdauer“ nicht auf der Auswertung von Daten der Lebensdauer der Verwandtschaft des betreffenden Hundes sondern auf der Analyse von dessen Erbsubstanz und der Erstellung eines sogenannten genetischen Profils. Zur Ermittlung der Referenz dieses  Zuchtwertes diente die genetische Untersuchung  des Erbmaterials von 174 untereinander nicht eng verwandten Berner Sennenhunden. Verwendet wurde zu diesem Zweck ein Genchip, der 173000 Mutationen im Genom nachweisen kann. Der auf der Basis der genetischen Profile der Hunde mit hoher Lebenserwartung entwickelte genomische Zuchtwert erwies sich im Vergleich zum phänotypischen Zuchtwert als zuverlässiger. Als Ursache des genetisch fixierten Anteils der Lebenserwartung werden unter anderem Mutationen in Genen vermutet– beim Menschen „Anti-Aging-Gene" getauft -, die für die Reparatur des Erbmaterials und das Zellwachstum verantwortlich sind. Ein Berner Sennenhund mit dem genomischen Zuchtwert von unter 80 hat eine mittlere Lebenserwartung von 5,2  Jahren, bei einem Wert zwischen 120 und 140 liegt sie bei 8 Jahren, bei einem Wert von 140 bis 160 liegt sie bei 10 Jahren und bei über 180 sind es 12 Jahre.

Zum aktuellen Zeitpunkt können auf freiwilliger Basis die Genomischen Zuchtwerte für Langlebigkeit, Hüftgelenksdysplasie und Ellbogengelenksdysplasie bestimmt werden. Die Kosten betragen 230 € pro Hund für Mitglieder des SSV bei einem Normaltarif von 280 €. Nach Beendigung einer Testphase wird eine Entscheidung gefällt werden, inwieweit der genomische Zuchtwert für Langlebigkeit in die Zuchtpolitik einbezogen werden kann.


Die Heritabilität der Lebenserwartung, deren genetischer Anteil, wird mit 30% angegeben. Ein solch hoher Wert lässt den Zuchtwert „Lebensdauer“ als vielversprechenden Ansatz erscheinen, da dieser übergreifend sämtliche lebensverkürzenden Probleme, wie die rassespezifischen Erberkrankungen, mit einbezieht. Es steht außer Frage, dass ein solcher Zuchtwert auch für die Deutsche Dogge eine hochinteressante Möglichkeit wäre, die zu kurze Lebenserwartung der Rasse langfristig positiv zu beeinflussen. Eine der Voraussetzungen zur Erhebung einer ausreichenden Menge an Daten ist bereits gegeben, da  die Zuchtordnung bereits die Meldepflicht für verstorbene Hunde beinhaltet. Jedoch wird diese Maßnahme nicht im Sinne einer Verpflichtung durchgesetzt. Auch ist es notwendig, diese Informationen durch Lebendmeldungen zu ergänzen.  Die vom SVV vollzogene praktische Umsetzung zur effizienten Datenerhebung zeigt, dass die Einführung von Zuchtwerten keine Frage der Machbarkeit ist, sondern eine Frage des Willens, eine wirklich gesundheitsorientierte Zuchtpolitik zu fördern. Ich möchte zum Ende den Präsidenten des SVV Dr. Norbert Bachmann zitieren:

„Hohe Transparenz ist und bleibt ein Garant für Glaubwürdigkeit in der Hundezucht!”

 


 

Webseite des SSV 

Artikel im SSV Kurier: