Das "Wobbler-Syndrom" - Anatomische Grundlagen und Krankheitsursachen

Anatomische Grundlagen und Krankheitsursachen
Auf den ersten Blick erscheint es erstaunlich, dass Veränderungen der Halswirbelsäule sich besonders auf die Hintergliedmaßen auswirken. Um dies zu verstehen, ist ein kleiner Ausflug in die Anatomie der Wirbelsäule notwendig.
Die Wirbelsäule besteht aus vielen Wirbelköpern, die untereinander gelenkig verbunden sind, um die notwendige Beweglichkeit zu ermöglichen. Als "Stoßdämpfer" zwischen den Wirbeln dienen dabei die Bandscheiben. Die Wirbelkörper besitzen einen inneren Hohlraum, der sozusagen ein lange röhrenförmige Verbindung vom Gehirn bis zur Schwanzwurzel bildet und in dem sich das Rückenmark (ein Teil des zentralen Nervensystems) befindet.

Skelett des Hundes   3d-CT-Darstellung Wirbelsäule - zum Vergrößern klicken!
Anatomie - das Skelett des Hundes (zum Vergrößern auf das Bild klicken!).
   3D-Bild der Halswirbelsäule (Computertomografie)

Betrachtet man dieses Rückenmark im Querschnitt, lassen sich zwei Anteile unterscheiden, die auch sehr unterschiedliche Funktionen haben: Die sogenannte graue Substanz liegt zentral und dient sozusagen als "Steuer- und Schaltsystem", die weiße Substanz in der Außenschicht wird durch zahlreiche Nervenfasern gebildet und stellt das Leitungssystem dar. Solche Nervenfasern ("Spinalnerven") treten regelmäßig zwischen den Wirbelkörpern aus dem Rückenmark heraus und sind für die Reizleitung zwischen zentralem Nervensystem und Muskulatur sowie allen anderen Organen verantwortlich.

Über die im Rückenmark verlaufenden Nervenbahnen arbeitet also das Gehirn u.a. mit der Muskulatur zusammen und übermittelt nicht nur "Bewegungsreize" sondern auch "Koordinationsbefehle", um die Aktivitäten der einzelnen Muskeln sinnvoll aufeinander abzustimmen. Werden die sehr empfindlichen Nervenfasern geschädigt, kommt es zu mehr oder weniger schweren Ausfallserscheinungen. Je nach dem, wie stark die Druckeinwirkung ist, und welche Nervenfasern besonders betroffen sind, sind die Symptome unterschiedlich ausgeprägt und verändern sich auch im Laufe der Erkrankung. Unbehandelt kommt es meist zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes, die schleichend verlaufen aber auch plötzlich einsetzen kann.

Die schematische Abbildung zeigt links einen normalen Wirbelkanal, rechts einen in den Wirbelkanal hineinragenden deformierten Wirbelbogen, der Druck auf das Rückenmark ausübt.

 

Einengung des Wirbelkanals bei Wobbler-Syndrom - schematisch

 

Über die genauen Ursachen der verschiedenen Veränderungen an der Halswirbelsäule gibt es bis jetzt keine endgültige Klarheit.

Das Wobbler-Syndrom tritt gehäuft bei (jungen) Doggen und (erwachsenen) Dobermännern auf, die zusammengenommen über 80% der klinischen Erkrankungen ausmachen [1]). Eine solche starke Prädisposition weist deutlich auf den genetischen Hintergrund der Erkrankung bei diesen Rassen hin, wobei der genaue Erbgang nicht geklärt ist [2] [3]. Männliche Tiere erkranken häufiger als weibliche. Weiterhin werden ernährungs- und belastungsbedingte krankheitsauslösende Faktoren angenommen (forciertes Wachstum, Kalziumüberschuss in der Wachstumsphase, kleinste Verletzungen durch Zerrungen, ruckartige Leinenbewegungen etc.). Da solche umweltbedingten Einflüsse aber auch bei anderen großen und Riesenrassen mit gleicher Häufigkeit zu erwarten sind, ist davon auszugehen, dass die Rassedisposition, also die erbliche Komponente im Vordergrund steht.