Diagnose und Therapie der Dilatativen Kardiomyopathie (DCM) bei der Deutschen Dogge. - Diagnose der DCM im subklinischen oder okkulten Stadium

Diagnose der DCM im subklinischen oder okkulten Stadium

Vom pathologischen Standpunkt aus geht dem okkultem Stadium zunächst eine sogenannte zelluläre Phase voraus: Hier beschränken sich die Anomalien der Herzmuskelzellen auf das mikroskopische Niveau und demzufolge wäre die einzige - theoretische – Möglichkeit, in diesem Stadium eine Diagnose zu stellen, die Biopsie (Gewebeentnahme) des Herzmuskels.

Im subklinischen (okkulten) Stadium sind, wie erwähnt, ebenfalls noch keine äußerlich erkennbaren Symptome festzustellen, denn das erkrankte Herz ist in dieser Phase noch in der Lage, seine mangelnde Funktionsfähigkeit zu kompensieren. Durch kurzzeitige Arrhythmien verursachte kurze Synkopen, in denen der Hund bewusstlos umfällt, können jedoch auftreten. Es besteht in dieser Phase daher auch das Risiko des plötzlichen Herztodes, das allerdings bei anderen rassetypischen Formen der DCM (z.B. Dobermannkardiomyopathie) höher ist als bei der bei der Deutschen Dogge vorherrschenden Form, da hier die lebensbedrohlichen Arryhthmien häufiger auftreten. Es soll hier ausdrücklich betont werden, dass das routinemäßige Auskultieren des Herzens mit dem Stethoskop, beispielsweise bei der Impfuntersuchung, es nicht erlaubt, eine DCM im okkulten Stadium zu diagnostizieren oder auch nur zu vermuten.

Mit geeigneten Untersuchungsmethoden, die im folgenden beschrieben werden, ist in diesem Stadium eine Diagnosestellung möglich. Ziele einer frühzeitigen Diagnose sind zuchthygienische Aspekte (Erkennung von potentiellen Vererbern) und der möglichst frühe Einsatz einer lebensverlängernden Therapie im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten.

 

Diagnostische Methoden:

Doppler-Herzultraschall (Doppler-Echokardiographie)

Der Herzultraschall ist zum aktuellen Zeitpunkt die Methode der Wahl, um eine DCM im subklinischen Stadium zu diagnostizieren. Auch wenn manche Untersucher Riesenrassen bevorzugt im Stehen schallen, empfehlen Dukes-McEwan et al. (2003), die Untersuchung zur besseren Wiederholbarkeit in Seitenlage durchzuführen. Beim Herzultraschall können auch andere Herzdefekte wie Klappenfehler oder Aortenstenosen nachgewiesen werden.

Das Ziel der Herzschalluntersuchung ist der Nachweis von Formveränderungen und Störungen der Funktion des Herzens im Vergleich zu Referenzwerten für das normal funktionstüchtige Herz. Da die entsprechenden Werte sich im okkulten Stadium in der Regel in einem Grenzbereich befinden, sind hier rassespezifische Referenzbereiche sehr wichtig (Kresken JG, 2011). Bislang gibt es zwei Veröffentlichungen und ein Doktorarbeit zu echokardiographischen Daten bei der Deutschen Dogge (Farmer, 2009; Tarducci A, 1997; Koch J, 1996 )

Die Bewertung der Befunde sollte über ein Scoring-System erfolgen, das idealerweise auf der Basis rassespezifischer Cut-off-Werten beruht, welche die Grenzwerte zwischen normalen und pathologischen Befunden definierten (Kresken JG, 2011): Vereinfacht gesagt, werden hierbei Punkte je nach gefundener Abweichung von der Norm verteilt, wodurch einige Kriterien durch eine höhere Punktzahl stärker gewichtet werden als andere. Am Ende der Untersuchung werden die Punkte aufaddiert: Ab einer gewissen Gesamtpunktzahl gilt die DCM als gesichert diagnostiziert. Rassespezifische Cut-off-Werte gibt es beispielsweise für den Doberman (Summerfield N, 2006) (Wess G S. A., 2010), für den Irischen Wolfshund (Vollmar AC, 2000) und für den Neufundländer (Dukes-McEwan, 2010).

Die prospektive Doggenstudie an der Klinik Kaiserberg in Duisburg hat unter anderem zum Ziel, echokardiographische Normalwerte für die Dogge zu präzisieren und die Sensitivität und Spezifität von festgestellten Abweichungen von der Norm besser beurteilen zu könne. So werden Normwerte für den Kammerdurchmesser von Rüden und Hündinnen, für die Kontraktionsfähigkeit des Herzens (FS) und für die EPSS vorgeschlagen.

Ein Scoring-System zur Diagnose der DCM beim Hund wurde von Dukes-McEwan et al. vorgeschlagen:

Hauptkriterien (je 3 Punkte):

  • Dilatation des linken Ventrikels mit systolischen und diastolischen Werten außerhalb des rassenspezifischen Normbereichs
  • Erhöhte Sphärizität (Kugelform) = Index unter 1,65
  • FS (fractional shortening, Mass für die Kapazität der Herzkammern, ihr Volumen durch Kontraktion zu vermindern) reduziert unter 20/25%, abhängig vom rassespezifischen Normbereich und/oder LVEF (left ventricular ejection fraction, der Anteil des Blutes in der Herzkammer, der bei der Kontraktion hinausgepumpt wird) unter 40%

Nebenkriterien (je 1 Punkt):

  • Kammerarrhythmie bei disponierten Rassen (Doberman, Boxer)
  • Vorhofflimmern (Herzrhythmusstörung, bei der die Vorhöfe sich schnell und ungeordnet kontrahieren)
  • Erhöhter EPSS (E-Point to septal separation, Distanzmessung zwischen bestimmten Herzstrukturen [Position des septalen Mitralklappensegels zu einem spezifischen Zeitpunkt zum Herzseptum])
  • PEP/LVET-Verhältnis grösser als 0,4 (pre-ejection period/ left ventricular ejection time, das Verhältnis der beiden Werte ist ein Mass der Kontraktionsfähigkeit des Herzens)
  • FS zweifelhaft
  • Links oder beidseitig Vorhoferweiterung

Eine Gesamtpunktzahl über 6 gilt in diesem System als gesicherte DCM-Diagnose; eine wiederholte Untersuchung nach 3 bis 12 Monaten wird bei werten zwischen 0 und 6 empfohlen.

EKG

Ein über 24 Stunden angefertigtes EKG ist besonders bei Dobermännern und Boxern zur frühzeitigen Diagnostik der DCM von Interesse, da bei diesen Rassen das Auftreten von Kammerextrasystolen (Kotraktionen einer Herzkammer ausserhalb des normalen Herzrhythmus) das erste Zeichen der Erkrankung darstellt und noch vor den im Herzultraschall erkennbaren Veränderungen auftritt. Beim Dobermann sind mehr als 100 Kammerextrasystolen pro 24h hochverdächtig für DCM. Ein normales EKG ist in der Regel nicht ausreichend, da die Extrasystolen in grösseren zeitlichen Abständen auftreten (ca. 1 Extrasystole/15 Minuten) und ein  EKG unter Praxisbedingungen von daher völlig unauffällig sein kann. Bereits eine einzelne Kammerextrasystole beim Doberman im Normal-EKG ist hochverdächtig. Für die Deutsche Dogge könnte ein 24h-EKG ebenfalls von Interesse sein, jedoch sind hier noch keine Richtlinien zur Auswertung des Ergebnisses festgelegt worden. (Dukes-McEwan J, 2003)

Beim Irischen Wolfshund wird ein primäres Vorhofflimmern mit niedriger Frequenz der Herzkammern (Lone atrial fibrillation) als Frühzeichen der DCM angesehen. Der Herzultraschall ist in diesem Fall meist ohne Befund, höchstens der linke Vorhof ist mehr oder weniger vergrößert (Brownlie SE, 1999). Es ist davon auszugehen, dass das primäre Vorhofflimmern bei Riesenrassen generell als Zeichen einer beginnenden DCM bewertet werden kann.

 

Laboruntersuchungen

Einige im Blut messbare Substanzen sind dazu geeignet, Funktionsfähigkeit und Schädigungen des Herzmuskels zu bewerten. So spiegeln sich Zellschädigungen im Wert des cardialen Troponin I (cTNI), wogegen das Nt-pro BNP ein Maß für die Wandspannung, also der Herzfunktion darstellt (Kresken JG, 2011). Beim Doberman konnte ein Cut-off-Wert für cTNI festgelegt werden, der mit guter Sensivität (79,5%) und Spezifität (84,4%) alle Kardiomyopathiestadien nachweist (Wess G S. J., 2010). In einer Studie, an der auch Doggen beteiligt waren, wies das Molekül BNP eine Sensitivität von 95,2% und eine Spezifität von 61,9% für den Nachweis okkulter DCM auf (Oyama MA, 2007). Weitere Studien sind jedoch notwendig, um klinisch verwendbare Werte festzulegen.

 

Diagnostische Hinweise auf das Vorliegen einer okkulten DCM

- eine Vergrößerung der linken Herzkammer
- ein „adynamisches Herz“ (Pumpleistung vermindert)
- eine kugelige Kammerform (Sphärizität < 1,65)
- eine Vergrößerung des linken oder beider Vorhöfe
- Kammerextrasystolen
- Vorhofflimmern
- Veränderungen anderer echokardiographisch messbarer Parameter der Herzfunktion:

  • FS unter 20-25%
  • PEP/LVET-Verhältnis grösser als 0,4.
  • Der EPSS-Wert (E-Point to septal separation) ist eine Distanzmessung zwischen bestimmten Herzstrukturen (der Position des septalen Mitralklappensegels zu einem spezifischen Zeitpunkt zum Herzseptum), die bei DCM vergrössert ist (Dukes-McEwan J, 2003).