Merle bei der Deutschen Dogge

Als Merle wird eine charakteristische Fellfarbe bezeichnet, die bei mehreren Hunderassen vorkommt:  Die Grundfarbe des Felles ist bei Merles stellenweise aufgehellt in der Weise, dass unregelmäßige, zerrissen wirkende Flecken in der Grundfarbe auf einem aufgehellten Grund zu sehen sind. Ist die Grundfarbe schwarz, ist der Merle ein Hund mit unregelmäßig zerrissenen schwarzen Flecken auf grauem Grund, der bei der Deutschen Dogge Grautiger genannt wird.

Die genetische Ursache ist das Merle-Allel, das in heterozygoter Form (Mm) zu dieser Fellzeichnung führt. Liegen zwei Merle-Allele vor (homozygoter Merle oder Doppelmerle), ist der Hund zumeist überwiegend weiß – daher der noch geläufige Ausdruck „Weisstiger“ - und leidet sehr häufig unter Behinderungen der Sinnesorgane, in erster Linie Taubheit, sowie Augenmissbildungen, die bis zur Blindheit führen können. Auch Missbildungen der Fortpflanzungsorgane sind beschrieben.


Bereits in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde mit erstaunlicher Präzision nicht nur der genetische Hintergrund dieser Fellfärbung beschrieben sondern auch die gesundheitlichen Risiken, die damit verbunden sind:  Wriedt erkannte bereits 1925 beim Norwegischen Dunkerhund,  die Geburt überwiegend weißer, tauber Hunde mit Missbildungen der Augen und Fortpflanzungsorgane als Folge der Kreuzung zweier heterozygoter Merle-Träger und auch die Aufspaltung der Farbverteilung bei den Welpen nach den Mendelschen Regeln (Wriedt C, 1925). Mitchell beschrieb Taub- und Blindheit bei Collies, die homozygot für die Merle-Verdünnung sind (Mitchell AL, 1935).

Inzwischen ist das Merle-Allel bis in das Niveau der Molekularbiologie erforscht; es ist bekannt, auf welchem Chromosom der Genort liegt und die Art der Mutation, die der Genwirkung zugrundeliegt (Hédan B, 2006, Clark LA, 2006). Auch die Auswirkungen des Merle-Allels auf die Sinnesorgane, und insbesondere das stark vermehrte Auftreten von Taubheit bei Doppelmerles ist durch aktuelle Forschungsarbeiten bestätigt worden (Strain GM, 2009).

In logischer Konsequenz des seit über 80 Jahren bekannten und seither immer wieder von der Forschung bestätigten massiven Risiko der Geburt behinderter Hunde nach der Kreuzung zweier Merle-Träger verzichtet die ganz überwiegende Zahl der betroffenen Vereine - z.B. Australische Schäferhunde und Collies - bereits seit geraumer Zeit auf solche Paarungen und lehnt diese in ihren Zuchtordnungen bezugnehmend auf die tierschutzrechtlichen Aspekte ausdrücklich ab.

Hier könnte dieser Artikel bereits zu einem (guten) Ende kommen… gäbe es da nicht die Deutsche Dogge.

 


Die Deutsche Dogge ist die einzige Hunderasse, die ein Allel besitzt, das Harlekin(H)-Allel, welches das Merle-Allel modifiziert: Ein Hund, der diese beiden Allele in heterozygoter Form trägt, ist kein Grautiger, sondern ein Gefleckter. Dieser „Doppel-Heterozygotie“ (MmHh) als Basis für die gefleckte Färbung wurde erstmals 1985 von Sponenberg postuliert und inzwischen ist das H-Allel ebenso gut erforscht wie das M-Allel (Clark LA S. A., 2008, Clark LA T. K., 2011).

Bevor diese Zusammenhänge nachgewiesen werden konnten, wurde vermutet, dass die Basis für die Entstehung von Gefleckten und Grautigern zwei unterschiedliche Allele desselben Genes seien, so hatte es Clarence C. Little noch 1957 postuliert (Little CC, 1957). Aus dieser Sicht sind wohl die – angesichts der aktuellen Erkenntnisse natürlich vergeblichen – Versuche der Doggenzüchter zu beurteilen, den Anteil der Grautiger durch Zuchtselektion zu vermindern und sicherlich auch die Entscheidung, den Grautigern die Zuchtzulassung systematisch zu verweigern.

Vielleicht ist diese Degradierung des „einfachen“ Merle zu einem Hund zweiter Klasse und die Fixierung ausschließlich auf den Gefleckten als oberstes Zuchtziel einer der Gründe, warum so viele Doggenvereine und deren Züchter ein zumindest ambivalentes Verhältnis zu den Gefleckt-Kreuzungen als „Sonderform“ der Merle-Kreuzungen haben: Die FCI steht solchen Anpaarungen aus den hier anführten Gründen ablehnend gegenüber, doch das hindert einen großen Teil der Rassevereine der Deutschen Dogge, insbesondere im Osten Europas, nicht daran, diese weiterhin zu gestatten.

Worauf begründet sich aber nun diese absurde Neigung von vielen Doggenzüchtern, unbedingt Paarungen vorzunehmen zu wollen, nach denen knapp ein Viertel der Welpen hochrisikobehaftet für eine Behinderung der Sinnesorgane ist?


Es mag zunächst sinnvoll erscheinen, einige biologische und genetische Gegebenheiten zu erwähnen, die das Verhältnis vieler Doggenzüchter zu den geborenen Welpen sicherlich geprägt haben: Wie andere Riesenrassen neigt auch die Dogge zu sehr großen Würfen… oftmals zu groß, als dass eine Hündin allein alle Welpen ausreichend ernähren kann. Andererseits befindet sich unter diesen Welpen im schwarz/gefleckten Farbschlag in der Regel nur eine eher kleine Anzahl der begehrten Gefleckten und meist fallen auch einige der von der Zucht ausgeschlossenen Grautiger. Auch war bereits lange vor der Aufklärung der zugrundeliegenden genetischen Ursachen klar, dass nach Kreuzungen zweier Gefleckter Doggen oft überwiegend weiße und meist behinderte Welpen fallen.

All diese Gegebenheiten führten unzweifelhaft dazu, dass in der Doggenzucht das Töten unliebsamer Welpen (Überzahl, Grautiger, Weisstiger) eine gewisse Tradition hat… die auch heute noch fortbesteht: In Frankreich wird bei der Formation zur Zuchtselektion ganz offen das Supprimierenzuchtungeeigneter Welpen als sinnvolle Selektionsmaßnahme empfohlen und auch ohne Scham in die Tat umgesetzt: Im Rahmen des Grautiger-Experimentes des DCF wurden die Welpen sorgfältig ausgezählt und danach zum großen Teil nicht „unter der Mutter belassen“, so die euphemistische Formulierung für die selektive Euthanasie. Ironischerweise waren selbst in diesem Rahmen die Opfer in den meisten Fällen Grautiger, aber auch einige Schwarze… nur die gefleckte Farbe ist eine Überlebensgarantie.

In Deutschland ist die Situation geringfügig anders: Hier ist zum einen nach § 17 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes das Töten von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund strafbar und zum anderen der Tierschutzgedanke generell stärker in der Bevölkerung verankert. Es ist hier undenkbar, dass ein Rasseverein das Töten von Welpen offen als Selektionstechnik bewirbt. Jedoch halten sowohl der DDC als auch die KyDD die Formulierungen in ihren Zuchtordnungen recht schwammig: Beim DDC ist von der Zahl der „aufgezogenen“ Welpen die Rede, wenn es um die Dauer bis zur Wiederbelegung geht. Die KyDD geht noch einen Schritt weiter: Statt von aufgezogenen spricht man hier von „eingetragenen“  Welpen und fügt einige zumindest ambivalente Präzisierungen an:  „Eine Hündin darf nicht mehr Welpen aufziehen, als ihre Kondition es zulässt…Die Zahl der aufzuziehenden Welpen richtet sich nach der Konstitution der Hündin sowie den Aufzuchtmöglichkeiten des Züchters.“  Bei der KyDD darf ganz offensichtlich der Züchter frei entscheiden, wie viele der geborenen Welpen er aufzuziehen gedenkt und was mit den übrigen zu geschehen hat bleibt unbeantwortet im Raum stehen:  Es muss hier die Frage erlaubt sein, ob ein solcher Text kompatibel mit dem Tierschutzgesetz ist, fordert er doch explizit dazu auf, die Zahl der Welpen artifiziell zu reduzieren.

In Realität sind Konstitution der Hündin oder Aufzuchtmöglichkeiten nicht die gängigen Gründe für gewisse Züchter, Welpen nicht aufzuziehen: Es ist in der Regel die „falsche“ Farbe der Welpen: Neben der vereinzelten Beseitigung unliebsamer echter Fehlfarben, die die Elterntiere als Träger unerwünschter Farballele anderer Farbschläge verraten, scheuen sich manche Züchter auch nicht davor, quasi sämtliche geborene Grautiger verschwinden zu lassen: So gibt es Zwinger, die nach weit über 200 nach Gefleckt x Schwarz-Kreuzungen geborenen Welpen lediglich je einen (über)lebenden Grautiger vorzuweisen haben: Der uralte lebensverachtende und tierschutzwidrige Geist der „grautigerfreien“ Zucht durch radikale Ausrottung dieser Farbe gleich nach der Geburt weht hier noch durch so manche Zuchtstätte, die sich in vielen Fällen - so gesehen nicht einmal ganz zu Unrecht – auf ihre langjährige Tradition beruft… in diesem speziellen Fall allerdings eine bevorzugt diskret im Hinterzimmer ausgeführte Tradition.

Wir sollten hier also festhalten, dass in der Doggenzucht traditionell aufgrund der großen Würfe bei einem in der Geflecktzucht eher kleinen Anteil an farblich erwünschten Welpen diejenigen mit unerwünschter Farbestets als aussortierbares Gut angesehen wurden, das durchaus nicht notwendigerweise systematisch am Leben gelassen werden muss… eine Einstellung, die bis heute fortdauert und sicherlich einen Anteil daran hat, dass von einigen Züchtern die Erzüchtung von Welpen mit Sinnesbehinderungen als akzeptabler Nebeneffekt angesehen wird: Wenn die Beseitigung von gesunden Welpen mit unerwünschten Farben als ethisch unproblematische und übliche Selektionsmaßnahme angesehen wird, ist es natürlich eine logische Konsequenz dieser Einstellung, dass die Euthanasie von wahrscheinlich behinderten Doppelmerle-Welpen erst recht nicht als verwerflich betrachtet wird: Von diesem Standpunkt aus ist das Risiko der Geburt von behinderten Welpen nach Gefleckt-Kreuzungen eher theoretischer Natur, da die Option der Euthanasie generell als probates Mittel gegen unpassende Welpen im allgemeinen angesehen wird.


Dies kann als Erklärungsversuch betrachtet werden, warum Doggenzüchter die selektive Euthanasie von Welpen nicht als so abwegig empfinden, wie man es (zu Recht) erwarten würden…es erklärt aber nicht, warum die Züchter zu einem nicht unerheblichen Teil so begierig darauf sind, Gefleckte zu kreuzen…aber dafür gibt es durchaus konkrete Gründe:

Zum Teil sind dies Legenden, die mit der Realität nichts zu tun haben, aber im kollektiven Bewusstsein immer noch fest verankert sind:

Die geforderte reinweiße Grundfarbe der Gefleckten ginge verloren, wenn man nicht hin und wieder Gefleckte untereinander kreuzt, ist eines der Hauptargumente der Befürworter solcher Kreuzungen…eine völlig absurde Behauptung für jeden, der die genetische Basis der Geflecktzucht kennt: Merle- und Harlekin-Gen sind simple Genschalter, sie können nur „an“ oder „aus“ sein. Die vermutlich sehr zahlreichen genetischen Faktoren, die für die Reinheit des Weißes, die Verteilung der Flecken und andere quantitative Kriterien zuständig sind, werden von diesen beiden Genen in keiner Weise beeinflusst, sondern unabhängig von ihnen vererbt: Merle- und Harlekin-Gen entscheiden lediglich ob sie sichtbar sind. Die Qualität der von ihr vererbten weissen Grundfarbe einer schwarzen Dogge lässt sich indirekt über deren gefleckte Verwandtschaft beurteilen. Man mag diese Situation vergleichen mit einem Lichtschalter, der es erlaubt die Tapete zu betrachten, wenn man mit seiner Hilfe die Lampe anknipst: Die Merle- und Harlekinschalter machen die Grundfarbe sichtbar, auf ihre Qualität haben sie jedoch keinen Einfluss, ebenso wenig wie es die Schuld der Lampe ist, wenn die Tapete hässlich ist.

Oft wird auch behauptet, bei der Kreuzung zweier Gefleckter fielen mehr gefleckte Welpen als nach Schwarz x Gefleckt. Tatsache ist, dass statistisch nach Schwarz x Gefleckt 25% bzw. 33% gefleckte Welpen fallen, je nachdem, ob der schwarze Elternteil das Harlekin-Allel trägt oder nicht. Nach Gefleckt x Gefleckt fallen ebenfalls 33% gefleckte Welpen: Der unterschied der Zahl der echten Gefleckten ist also verschwindend gering. Allerdings wirkt natürlich ein Wurf nach der Kreuzung zweier Gefleckter „weißer“, denn statt 50% schwarzer Welpen fallen 25% Schwarze und 25% Doppel-Merles. Nicht nur, dass letztere hin und wieder durchaus mit echten Gefleckten verwechselt werden können, die veraltete Farbzuordnung des Standards lädt geradezu dazu ein, Doppelmerles als Gefleckte zu deklarieren und zur Zucht zuzulassen, sofern sie nur eine paar kleine Flecken aufweisen. Denn als Disqualifikationsgrund gilt ausschließlich ein weißer Hund „ohne jedes Schwarz“, im Standard fälschlicherweise als Albino bezeichnet. Aber „ist die Grundfarbe vorwiegend weiß und sind mindestens fünf schwarze Flecken vorzufinden, davon wenigstens einer am Kopf, kann der Hund bei sehr gutem Typ eine um eine Stufe herabgesetzte Formwertnote erhalten“, so das Richterhandbuch.

Diese Ambivalenz des Standards, die bis heute dem genetischen Unterschied zwischen den doppelt heterozygoten echten Gefleckten (MmHh) und den Doppelmerles (MMHh oder MMhh) nicht Rechnung trägt, steht in engem Zusammenhang mit einem weiteren Grund für den Wunsch nach der Erlaubnis von Geflecktkreuzungen, und dieser entspringt nicht dem Wunschdenken wie die Idee des reineren Weiß, sondern ist eine genetische Realität: Der Einsatz von Doppelmerles zur Zucht erlaubt es, Würfe mit 100% Merle-Trägern zu erhalten, und davon bis zu 66% echte Gefleckte: Diese ist der Fall wenn ein Doppel-Merle mit einem schwarzen gekreuzt wird und beide ebenfalls ein Harlekin-Allel tragen. Selbst wenn nur einer der beiden H-Träger sind, erhält man statistisch immer noch 50% Gefleckte bei den Nachkommen. Doppelmerles können bei diesen Verpaarungen nicht entstehen, da der schwarze Elternteil natürlich kein Merleträger ist. Bei diesem, vermutlich dem wichtigsten züchterischen Aspekt, ist die Gefleckt-Kreuzung letztlich nur ein Mittel zum Zweck. Sie dient dem Erhalt des „idealen“ Zuchttieres, ein Doppelmerle, der auch das Harlekin-Allel trägt. Solche Tiere sind in aller Regel fast rein weiß und ihre Hörfähigkeit allemal in Frage zu stellen. Ein ernsthafter Test darauf ist aber zur Zuchtzulassung nicht vorgesehen, obwohl taube Hunde ausdrücklich von der Zucht ausgeschlossen sind. Das manche Züchter solche Tier gerne einsetzen, ist am Run auf manche ausländischen aus Gefleckt-Kreuzungen stammenden Deckrüden zu erkennen, die deutliche Merkmale eines Doppelmerles aufweisen. Auch der Kauf von solchen Hündinnen im Ausland ist keine Seltenheit. Der Wunsch mancher Gefleckt-Züchter, Doppelmerles endlich wieder selber erzüchten zu dürfen, um von der hohen Frequenz an Gefleckten in deren Nachkommenschaft zu profitieren, kann wohl als der Hauptgrund für die immensen und glücklicherweise letztlich vergeblichen Anstrengungen des DDC gesehen werden, die Gefleckt-Kreuzungen durch die Hintertür mit als sogenannte „Grautiger-Studie“ getarnt wieder in Deutschland salonfähig zu machen.


Der französische Rasseclub DCF war hier schon 2001 mit schlechtem Beispiel vorangegangen, indem es das von der Société Centrale Canine (SCC, Pendant des VDH) geforderte Verbot der Verpaarung von Gefleckten, da diese Merle-Träger sind, durch die Ausrufung eines „Experimentes“ zur Vererbung der Gefleckten umging, in dessen Rahmen jede Form von Merle-Kreuzung erlaubt ist, also Gefleckt x Gefleckt, Grautiger x Gefleckt und Grautiger x Grautiger. Der Präsident des DCF Jean-François Martin verkündete damals unverhohlen, dass der DCF „dank unseres Experiments dem Verbot von Gefleckt-Kreuzungen entgehen konnte.“ Auch das „Protokoll“  des Experiments, wenn man es denn so nennen möchte, lässt keinen Zweifel daran, dass man nie wirklich daran interessiert war, wissenschaftlich relevante Daten zu sammeln: Es bestand lediglich in der systematischen Zuteilung einer „Ausnahmegenehmigung“ durch den Club für jede Gefleckt-Kreuzung. Die Ergebnisse der Kreuzungen, und sei es nur die Wurfgröße und Farbverteilung, wurden nicht einmal festgehalten und sind dementsprechend auch keiner Auswertung zugänglich. Lediglich die in diesem Rahmen vorgenommene kleine Anzahl an Kreuzungen unter Einbeziehung von Grautigern wurde registriert und die Farbverteilung der Würfe ausgezählt, auch wenn die Konzeption des „Grautiger-Experimentes“ in mehrfacher Hinsicht dermaßen desaströs war, dass keinerlei brauchbare Ergebnisse erhalten wurden 1. Die Schimäre eines angeblichen Experiments, das lediglich ein Vorwand ist, um weiterhin Gefleckte kreuzen zu dürfen, findet erst im Juli 2012, nach der expliziten Direktive der FCI zum Kreuzungsverbot für Merles vom Januar 2012 (http://www.fci.be/circulaires/4-2012-annex.pdf) und erneutem massivem Druck seitens der SCC endlich ihr unrühmliches, und erwartungsgemäß ergebnisloses Ende (http://doggenclub.com/2012-03-12-Lettre-DCF-Circulaire-FCI.pdf)… nach mehr als 10 Jahren.

In Deutschland ist bereits seit 1997 die Kreuzung zweier Merle-Träger untersagt und fällt unter den Qualzuchtparagraphen des Tierschutzgesetzes. Das Gutachten zu dessen Auslegung bewertet auch die Zucht mit heterozygoten Merle-Trägern, selbst unter Vermeidung des Doppelmerle-Risikos, als bedenklich, da die Autoren insbesondere Arbeiten mit Untersuchungen anMerle-Dackeln zur Beurteilung des Sachverhaltes herangezogen haben (Reetz I, 1977) (Klinckmann G, 1987), in denen auch bei den heterozygoten Merles ein hoher Anteil an hör- und sehbehinderten Hunden zu finden war. Dies scheint jedoch spezifischen für Dackel zu sein und ein allgemeines Verbot der Merlezucht von daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt.Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die gesamte Gefleckt-Zucht der Deutschen Dogge in Frage gestellt (ein Artikel von Dr Krautwurst [Zuchtverbot für gefleckte Deutsche Doggen?] von 1995 in der Zeitschrift „Der Hund“ greift das Thema auf).

Bedacht werden sollte in diesem Zusammenhang, dass für die Geflecktzucht ein weiteres Defekt-Gen, das Harlekin-Gen, unverzichtbar ist. Es wird im Qualzuchtgutachten nicht erwähnt, da es sich um ein echtes Letal-Gen handelt: Die homozygoten Harlekin-Träger sind nicht lebensfähig und werden im Embryonalstadium resorbiert, so dass keine behinderten Welpen auftreten, wie dies bei homozygoten Merle-Trägern der Fall ist, welches „nur“ ein Semiletal-Gen ist. Auch wenn Embryonalsterblichkeit nicht tierschutzrelevant ist, sollte man sich also stets vor Augen halten, dass Gefleckt-Zucht eine ethische Gratwanderung auf der Basis zweier Defekt-Gene und deren Erlaubnis in keiner Weise eine für die Ewigkeit festgeschriebene Selbstverständlichkeit ist. Ein respektvoller Umgang mit einer solch großen Verantwortung sollte also von Züchtern und Rassevereinen erwartet werden können. Die Realität sieht anders aus:

Im Jahre 2011 versuchte der DDC nach 3 Jahren Vorlaufzeit, den Kollegen des DCF nachzueifern und ebenfalls ein Experiment ins Leben zu rufen, das die Gefleckt-Kreuzung wieder salonfähig machen sollte: Es handelte sich um die sogenannten „Grautigerstudie“, deren Ziel „die Gewinnung und Verwertung forschungsrelevanter Daten zur Fellfarben-Vererbung Grautiger bei der Deutschen Dogge“ sein sollte. Die wissenschaftliche Betreuung sollte Frau Dr Ina Pfeiffer, Privatdozentin an der Universität Kassel, übernehmen, die insbesondere durch einen massiv mit sachlichen Fehlern durchsetzen Aufsatz in der Clubzeitschrift uDD auf sich aufmerksam gemacht hat2 und sich in der Broschüre „Die Vererbung der Fellfarbe bei der Deutschen Dogge“ gar dazu versteigt, für die Kreuzung von Gefleckten zu Forschungszwecken zu plädieren3. Im Mai wurde die erste und einzige Kreuzung im Rahmen der deutschen „Grautigerstudie“ durchgeführt. Bezeichnenderweise eine Kreuzung gänzlich ohne Grautigerbeteiligung zwischen zwei Gefleckten (http://www.doggen-vom-goldbergsee.de/ , F-Wurf). Noch vor Geburt der Welpen wurde die Einstellung der Studie bekanntgegeben: Der Wissenschaftliche Beirat des VDH hatte geltend gemacht, dass es angesichts des aktuellen Standes der Forschung keinerlei Grund für ein Kreuzungsexperiment mit risikobehafteten Verpaarungen zwischen zwei Merle-Trägern gibt. Von der angekündigten wissenschaftlichen Begleitung des Wurfes ist seither nichts in Erfahrung zu bringen, beispielsweise bezüglich der Hörfähigkeit der zwei geborenen Doppelmerlewelpen.

Große Anstrengungen wurden von DCF und DDC unternommen, um ihren Züchtern Gefleckt-Kreuzungen zu ermöglichen, entgegen den Vorgaben der Dachverbände - in Deutschland sogar entgegen der geltenden Gesetzgebung -, und unter Verleugnung von bekannten wissenschaftlichen Fakten… letzten Endes sind sie gescheitert. Es bleibt nichtsdestoweniger die Frage, wie es um die ethischen Grundsätze von Rasseclubs bestellt ist, die ein solch verantwortungsloses Verhalten an den Tag legen.


1 Eine kurze Übersicht der eklatantesten Fehler.

2 Die per Leserbrief an den uDD mitgeteilten Fehler und deren Korrektur: Nicht veröffentlicht, mit der Begründung, dass dessen Autor kein DDC-Mitglied ist.

3 Eine Reaktion auf diesen weiterhin stark fehlerbehafteten Leitfaden wurde dessen Autorin und Initiatoren per offenem Brief mitgeteilt.

 

 

 

 


Clark LA, S. A. (2008). Genome-wide linkage scan localizes the harlequin locus in the Great Dane to chromosome 9. Gene, 49-52.

Clark LA, T. K. (2011). A missense mutation in the 20S proteasome β2 subunit of Great Danes having harlequin coat patterning. Genomics.

Clark LA, W. J. (2006). Retrotransposon insertion in SILV is responsible for merle patterning of the domestic dog. Proc Natl Acad Sci U S A., 1376-1381.

Hédan B, C. S. (2006). Coat colour in dogs: identification of the merle locus in the Australian shepherd breed. BMC Vet Res., 2-9.

Klinckmann G, K. G. (1987). [Light microscopy studies of the cornea of Merle dachshunds]. Dtsch Tierarztl Wochenschr., 338-341.

Little CC. (1957). The inheritance of coat colour in dogs. Cornell University Press.

Mitchell AL. (1935). DOMINANT DILUTION AND OTHER COLOR FACTORS IN COLLIE DOGS. Jour. Heredity, 425-430.

Reetz I, S. M. (1977). [Audiometric findings in dachshunds (merle gene carriers)]. Dtsch Tierarztl Wochenschr., 273-277.

Strain GM, C. L. (2009). Prevalence of Deafness in Dogs Heterozygous or Homozygous for the Merle Allele. J Vet Intern Med, 282-286.

Wriedt C. (1925). LETALE FAKTOREN (TODBRINGENDE VERERBUNGSFAKTOREN). Ztschr. Tierzüchtung u. Züchtungsbiol., 223-230.