Merle bei der Deutschen Dogge - Der unstillbare Wunsch, Gefleckte zu kreuzen: Erklärungsansätze

Dies kann als Erklärungsversuch betrachtet werden, warum Doggenzüchter die selektive Euthanasie von Welpen nicht als so abwegig empfinden, wie man es (zu Recht) erwarten würden…es erklärt aber nicht, warum die Züchter zu einem nicht unerheblichen Teil so begierig darauf sind, Gefleckte zu kreuzen…aber dafür gibt es durchaus konkrete Gründe:

Zum Teil sind dies Legenden, die mit der Realität nichts zu tun haben, aber im kollektiven Bewusstsein immer noch fest verankert sind:

Die geforderte reinweiße Grundfarbe der Gefleckten ginge verloren, wenn man nicht hin und wieder Gefleckte untereinander kreuzt, ist eines der Hauptargumente der Befürworter solcher Kreuzungen…eine völlig absurde Behauptung für jeden, der die genetische Basis der Geflecktzucht kennt: Merle- und Harlekin-Gen sind simple Genschalter, sie können nur „an“ oder „aus“ sein. Die vermutlich sehr zahlreichen genetischen Faktoren, die für die Reinheit des Weißes, die Verteilung der Flecken und andere quantitative Kriterien zuständig sind, werden von diesen beiden Genen in keiner Weise beeinflusst, sondern unabhängig von ihnen vererbt: Merle- und Harlekin-Gen entscheiden lediglich ob sie sichtbar sind. Die Qualität der von ihr vererbten weissen Grundfarbe einer schwarzen Dogge lässt sich indirekt über deren gefleckte Verwandtschaft beurteilen. Man mag diese Situation vergleichen mit einem Lichtschalter, der es erlaubt die Tapete zu betrachten, wenn man mit seiner Hilfe die Lampe anknipst: Die Merle- und Harlekinschalter machen die Grundfarbe sichtbar, auf ihre Qualität haben sie jedoch keinen Einfluss, ebenso wenig wie es die Schuld der Lampe ist, wenn die Tapete hässlich ist.

Oft wird auch behauptet, bei der Kreuzung zweier Gefleckter fielen mehr gefleckte Welpen als nach Schwarz x Gefleckt. Tatsache ist, dass statistisch nach Schwarz x Gefleckt 25% bzw. 33% gefleckte Welpen fallen, je nachdem, ob der schwarze Elternteil das Harlekin-Allel trägt oder nicht. Nach Gefleckt x Gefleckt fallen ebenfalls 33% gefleckte Welpen: Der unterschied der Zahl der echten Gefleckten ist also verschwindend gering. Allerdings wirkt natürlich ein Wurf nach der Kreuzung zweier Gefleckter „weißer“, denn statt 50% schwarzer Welpen fallen 25% Schwarze und 25% Doppel-Merles. Nicht nur, dass letztere hin und wieder durchaus mit echten Gefleckten verwechselt werden können, die veraltete Farbzuordnung des Standards lädt geradezu dazu ein, Doppelmerles als Gefleckte zu deklarieren und zur Zucht zuzulassen, sofern sie nur eine paar kleine Flecken aufweisen. Denn als Disqualifikationsgrund gilt ausschließlich ein weißer Hund „ohne jedes Schwarz“, im Standard fälschlicherweise als Albino bezeichnet. Aber „ist die Grundfarbe vorwiegend weiß und sind mindestens fünf schwarze Flecken vorzufinden, davon wenigstens einer am Kopf, kann der Hund bei sehr gutem Typ eine um eine Stufe herabgesetzte Formwertnote erhalten“, so das Richterhandbuch.

Diese Ambivalenz des Standards, die bis heute dem genetischen Unterschied zwischen den doppelt heterozygoten echten Gefleckten (MmHh) und den Doppelmerles (MMHh oder MMhh) nicht Rechnung trägt, steht in engem Zusammenhang mit einem weiteren Grund für den Wunsch nach der Erlaubnis von Geflecktkreuzungen, und dieser entspringt nicht dem Wunschdenken wie die Idee des reineren Weiß, sondern ist eine genetische Realität: Der Einsatz von Doppelmerles zur Zucht erlaubt es, Würfe mit 100% Merle-Trägern zu erhalten, und davon bis zu 66% echte Gefleckte: Diese ist der Fall wenn ein Doppel-Merle mit einem schwarzen gekreuzt wird und beide ebenfalls ein Harlekin-Allel tragen. Selbst wenn nur einer der beiden H-Träger sind, erhält man statistisch immer noch 50% Gefleckte bei den Nachkommen. Doppelmerles können bei diesen Verpaarungen nicht entstehen, da der schwarze Elternteil natürlich kein Merleträger ist. Bei diesem, vermutlich dem wichtigsten züchterischen Aspekt, ist die Gefleckt-Kreuzung letztlich nur ein Mittel zum Zweck. Sie dient dem Erhalt des „idealen“ Zuchttieres, ein Doppelmerle, der auch das Harlekin-Allel trägt. Solche Tiere sind in aller Regel fast rein weiß und ihre Hörfähigkeit allemal in Frage zu stellen. Ein ernsthafter Test darauf ist aber zur Zuchtzulassung nicht vorgesehen, obwohl taube Hunde ausdrücklich von der Zucht ausgeschlossen sind. Das manche Züchter solche Tier gerne einsetzen, ist am Run auf manche ausländischen aus Gefleckt-Kreuzungen stammenden Deckrüden zu erkennen, die deutliche Merkmale eines Doppelmerles aufweisen. Auch der Kauf von solchen Hündinnen im Ausland ist keine Seltenheit. Der Wunsch mancher Gefleckt-Züchter, Doppelmerles endlich wieder selber erzüchten zu dürfen, um von der hohen Frequenz an Gefleckten in deren Nachkommenschaft zu profitieren, kann wohl als der Hauptgrund für die immensen und glücklicherweise letztlich vergeblichen Anstrengungen des DDC gesehen werden, die Gefleckt-Kreuzungen durch die Hintertür mit als sogenannte „Grautiger-Studie“ getarnt wieder in Deutschland salonfähig zu machen.