Color Dilution Alopecia (CDA) und die Deutsche Dogge

Die Color Dilution Alopecia (CDA), auch Blue Doberman Syndrome genannt, ist eine seltene Hauterkrankung, die nur Hunde betrifft, die homozygote Träger des  Verdünnungsallels „d“ sind. Bei der Dogge betrifft dies den blauen Farbschlag, also Hunde mit aufgehellter schwarzer Grundfarbe, grundsätzlich kann aber jeder für „d“ homozygote Hund an CDA erkranken.

Die Symptome der unauffällig geborenen Welpen entwickeln sich ab dem Alter von einigen (3-12) Monaten, bei manchen Hunden entstehen sie auch erst im Erwachsenenalter. Sie bestehen in Haarausfall, vorwiegend im Rückenbereich, und leichter Schuppenbildung. Die exponierte Haut kann sich durch sekundäre bakterielle Infektionen entzündlich verändern (Pyodermie), nur in diesem Fall tritt auch Juckreiz auf. Der Haarverlust ist irreversibel und die Haut des Hundes bedarf permanenter Pflege, um den Pyodermien vorzubeugen. Die Prognose hinsichtlich der Lebenserwartung ist hingegen gut. Die Erkrankung trat extrem häufig beim Dobermann auf, weswegen hier der blaue Farbschlag seit 1990 nicht mehr vom Standard akzeptiert wird. In anderen Rassen, die verdünnte Farben zulassen, kommt die Erkrankung hingegen nur vereinzelt vor. Bei der blauen Deutschen Dogge tritt sie extrem selten auf, auch in der Literatur gibt es nur sehr wenige Fallberichte.


Die Aufhellung des Fells entsteht durch einen Defekt im Transport der Melanosomen (Pigmentkörperchen) innerhalb der Melanocyten (Pigmentzellen). Die Melanosomen bilden große Pigmentklumpen, die sogenannten Makromelanosomen in den Pigmentzellen verschiedener Haarstrukturen wie Haarschaft, äußere Wurzelscheide und Matrixzellen. Diese Verklumpung bewirkt die optische Aufhellung des Haarkleids. Im Falle der CDA bewirken die Pigmentklumpen eine Instabilität des Haarschaftes, die zum Bruch der Haare und damit zur Alopezie führt. Sowohl die Menge des verklumpten Pigments als auch die klinischen Symptome sind rasseabhängig unterschiedlich (Hargis AM, 1991; Mecklenburg L, 2006). So können Hunde, deren Haarfollikel bei mikroskopischer Untersuchung identisch erscheinen, klinisch unauffällig sein oder aber vollständigen Haarausfall aufweisen. In einer aktuellen Untersuchung wurde festgestellt, dass der mikroskopische Nachweis von Pigmentklumpen in der Haut (und nicht nur in den Haarstrukturen selber) ein starkes Indiz für eine CDA ist (Welle M, 2009). Es gibt zum aktuellen Zeitpunkt keine wissenschaftliche Publikation zur rassespezifischen Häufigkeit von CDA.

Bei Mäusen sind phänotypisch ähnliche Aufhellungen des Felles bekannt, die auf drei unterschiedliche Gene bzw. deren Mutation zurückzuführen sind, die alle für den Transport der Melansomen verantwortlich sind. Auch beim Menschen sind diese drei Gendefekte unter dem Namen Griscelli-Syndrome (GS) 1 bis 3 bekannt. Zwei dieser Defekte führen neben der Haaraufhellung auch zu schweren neurologischen (GS1) bzw. immunologischen Störungen (GS2). Nur ein Defekt führt sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen ausschließlich zur Farbverdünnung ohne jede weitere Schädigungen in anderen Organsystemen: Es handelt sich um dem beim Menschen als GS3 eingeordneten Defekt des Melanophilin-Gens (MLPH). Da beim Hund außer der Aufhellung und in seltenen Fällen dem irreversiblen Haarausfall keine gesundheitlichen Komplikationen auftreten, wurde das MLPH-Gen 2005 daraufhin untersucht, ob es mit der Farbverdünnung des Hundes in Verbindung zu bringen ist. Die entsprechenden Untersuchungen verliefen erfolgreich, und 2005 konnte ein Zusammenhang erwiesen werden zwischen Variationen im MLPH-Gen und dem Auftreten der Farbverdünnung bei diversen Hunderassen, insbesondere bei einer grossen Zahl von Dobermännern und Deutschen Pinschern (Philipp U Q. P., 2005; Philipp U H. H.-A., 2005). Die wahrscheinlich für die Farbverdünnung verantwortliche Mutation des MLPH-Gens wurde zwei Jahre später entdeckt: Von 285 untersuchten Hunden waren alle 65 Hunde mit phänotypischer Aufhellung der Fellfarbe homozygot für diese Mutation (Drögemüller C, 2007). Interessanterweise konnten außerdem  drei verschiedenen Varianten (sogenannte Haplotypen) des MLPH-Gens verschiedenen Rassen zugeordnet werden: Alle Varianten wiesen natürlich die vermutete ursächliche Mutation auf, unterschieden sich jedoch in anderen Bereichen des MLPH-Gens, so dass die Autoren das Verdünnungs-Allel d in drei Untertypen unterteilten: Beagles , Große Münsterländer und Dobermänner europäischer Herkunft besaßen das Allel d1, Dobermänner amerikanischer Herkunft Allel d2 und Deutsche Pinscher das Allel d3 (Philipp U H. H.-A., 2005; Drögemüller C, 2007). In einer weiteren Studie wurden insgesamt 935 Hunde aus 20 Rassen untersucht, unter diesen befanden sich auch 8 Deutsche Doggen. Auch hier waren alle Hunde mit aufgehelltem Fell homozygot für die zuvor nachgewiesene Mutation (Welle M, 2009).

Es ist möglich, dass andere Gene als MLDH Einfluss auf die klinischen Symptome der CDA bei Hunden mit aufgehellter Fellfarbe haben. Diese konnten jedoch bislang noch nicht nachgewiesen werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass außer der Farbverdünnung zusätzliche modifizierende, krankheitsfördernde Faktoren einwirken müssen, damit sich eine CDA entwickelt (Welle M, 2009).


Im  Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes, dem sogenannten  Qualzuchtgutachten, ist folgende Einschätzung der CDA zu finden:

 

2.1.1.1.1 Blue-dog-Syndrom (Blauer-Dobermann-Syndrom)

Definition:

Es handelt sich um eine blaugraue Farbaufhellung mit Disposition zu Alopezie und Hautentzündung. Die Krankheit gehört in die Gruppe der Pigmentmangel-Syndrome.

Vorkommen:

Sporadisch und familiär gehäuft besonders beim Dobermann (BARTHA, 1963), aber auch in an-deren Rassen wie Dogge, Greyhound, Irish Setter, Pudel, Teckel und Yorkshire Terrier (AUSTIN, 1975; BRIGGS u. BOTHA, 1986; FERRER et al., 1988; LANGEBACK, 1986).

Genetik:

Das Merkmal wird von einem autosomal unvollkommen dominanten Gen bestimmt.

Symptomatik:

Durch eine gestörte Verhornung des Haarfollikel-Epithels kommt es schon bei jungen Tieren mit blaugrauer Farbverblassung zu Haarausfall (Tiere sehen wie „mottenzerfressen“ aus) mit vermehrter Schuppenbildung (Hyperkeratose), Papeln und Pusteln (papilläre Dermatitis) sowie sekundärer follikulärer Pyodermie (MULLER u. KIRK, 1976). Weiterhin besteht eine unterschiedlich ausgeprägte Lymphadenopathie (Veränderungen im Lymphsystem), Ödeme sowie Nebennierenrinden-Dysplasie. Der Basisdefekt ist eine erbliche Nebennierenrinden-Insuffizienz mit Immunkomplexstörung (PLECHNER u. SHANNON, 1977), wobei Tiere, die homozygot für die Farbaufhellung sind, scheinbar stärker betroffen sind als Heterozygote.

Empfehlung:

Zuchtverbot für Tiere mit blaugrauer Farbaufhellung (siehe Seite 15, Nr. I), da in ihrer Nachkommenschaft immer Tiere mit Farbaufhellung und Disposition zu Hautentzündungen auftreten und dies regelmäßig zu Schmerzen und Leiden führt (Anteil unterschiedlich je nach Genotyp der Elterntiere).

Literatur:

AUSTIN, V. H. (1975): Blue dog disease. Mod. vet. pract. 56, 34.

BARTHA, F. H. (1963): Pigmentationsformen im Haar des Dobermanns. Wien. tierärztl. Mschr. 50, 440-448.

BRIGGS, O. M., u. W. S. BOTHA (1986): Color mutant alopecia in a blue Italian greyhound. J. am. an. hosp. ass. 22, 611-614.

FERRER, L., I. DURALL, J. CLOSA u. J. MASCORT (1988): Colour mutant alopecia in Yorkshire-Terriers. Vet. rec. 122, 360-361.

LANGEBACK, R. (1986): Variation in hair coat and skin texture in blue dogs. Nord. vet. med. 38, 387-387.

MULLER, G. H. u. R. W. KIRK (1976): Small animal dermatology. W.B. Saunders Co., Philadelphia.

PLECHNER, A. J. u. M. S. SHANNON (1977): Genetic transfer of immunologic disorders in dogs. Mod. vet. prac. 58, 341-346.

 

Die pauschale Einschätzung der Zucht mit dem Verdünnungsallel d über alle Rassen hinweg war ohne Zweifel voreilig und kann auf der Basis der aktuelle verfügbaren Forschungsergebnisse als absolut nicht haltbar zurückgewiesen werden: Die (auch zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens nicht aktuellsten) aufgeführten wissenschaftlichen Quellen sind überholt und der Großteil der Aussagen nicht zutreffend:

Das zitierte familiär gehäufte Auftreten der Color Dilution Alopezia CDA wurde ausschließlich beim blauen Dobermann, beim blauen Deutschen Pinscher und unter einer anderen Bezeichnung, der Black hair follicular dysplasia (BHFD), bei den als Fehlfarbe geborenen blauen Großen Münsterländern festgestellt. Bei allen anderen mit dem Verdünnungsfaktor züchtenden Rassen tritt diese Erkrankung nach allgemeinem wissenschaftlichen Konsens nur in sehr seltenen Ausnahmefällen auf und eine familiäre Häufung ist nicht ersichtlich. In den stark betroffenen Rassen der Dobermänner und Pinscher ist die Konsequenz aus der rassespezifischen Gesundheitsproblematik bereits gezogen worden, und die blaue Farbe ist vom Standard nicht mehr zugelassen.

Das verantwortliche Allel wird als autosomal unvollkommen dominant bezeichnet…es handelt sich jedoch beim Verdünnungsfaktor „d“ um ein autosomal rezessives Merkmal.

Die Symptomatik beschreibt diverse schwere Komplikationen, die bei der CDA nicht vorkommen: Lymphadenopathie (Erkrankung des Lymphsystems) , Ödeme (Wasseransammlungen im Gewebe) und  erbliche Fehlbildung der Nebennieren mit Funktionsverlust. Möglicherweise ziehen die Autoren hier eine unzulässige Verbindung zu den Griscelli-Syndromen 1 und 2 beim Menschen (siehe oben), deren Haaraufhellung mit schweren systemischen Komplikationen einhergeht. Die Aussagen des Gutachtens stehen hier bemerkenswerterweise in direktem Gegensatz zum Ansatz, der zur Identifikation der Mutation des MLPH-Gens als Ursache der Farbverdünnung beim Hund geführt hat: Das Gen galt als interessantester Kandidat, gerade weil beim Hund das Auftreten der Verdünnung und auch der CDA nicht mit systemischen Krankheitserscheinungen in Verbindung steht, so wie das auch beim Griscelli-Syndrom 3 der Fall ist, welches auf einer Mutation des MLPH-Genes beruht. Die Ausführungen des Gutachtens sind also zumindest vom aktuellen Wissensstand her in keiner Weise nachvollziehbar.

Die Tatsache, dass ein bestimmtes phänotypisches Merkmal den Hund für eine Erkrankung disponiert, kann nicht als Kriterium für ein komplettes Zuchtverbot herangezogen werden, wenn diese Erkrankung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nur in extrem seltenen Einzelfällen tatsächlich und nicht zumindest regelmäßig mit dem Merkmal vergesellschaftet auftritt. Da die Selektion des Phänotyps einer Hunderasse in sehr  vielen Fällen auf der Fixation von rezessiven Defektgenen beruht, ist es unabdingbar, hier in angemessener Weise und mit Augenmaß die damit in Kauf genommenen Risiken zu bewerten. Im Qualzuchtgutachten ist dies bei der Beurteilung des Gesundheitsrisikos der Zucht auf die Fixation des Dilutionsfaktors in Anbetracht der aktuellen Forschung in keiner Weise (mehr) gegeben. Die Empfehlung eines Zuchtverbotes ist aufgrund der hier aufgezeigten Fehleinschätzungen und sachlich falschen Darstellungen im Gutachten im Lichte des aktuellen Wissenstandes mit aller Deutlichkeit abzulehnen. Eine aktualisierte Begutachtung der gesundheitlichen Bedeutung des Verdünnungsfaktors ist dringend zu empfehlen.

 

Nach der Publikation des Qualzuchtgutachtens reagierte der DDC mit der Forderung eines tierärztlichen Attests, welches die Freiheit von Alopeziesymptomen bescheinigte, im Rahmen der Zuchtzulassung im blauen Farbschlag. Dies war zum damaligen Zeitpunkt eine durchaus sinnvolle Massnahme, um zunächst das unmittelbare Risiko eines Zuchtverbotes abzuwenden.

Im Rahmen der durch die Hauptversammmlung des DDC im Jahr 2010 genehmigten Zuchtzulassungsordnung ist das Alopeziegutachten für blaue Doggen aber ohne weitere Begründung gestrichen worden. Auch zur  eventuellen Verwendung  der über ein Jahrzehnt gesammelten Daten gibt es keine Angaben.

Auf eine entsprechende Anfrage wurde aktuell die Empfehlung publiziert, trotz der geänderten Zuchtzulassungsordnung weiterhin tierärztliche Atteste zur CDA-Freiheit bereitzuhalten. Dies schiebt nicht nur die Verantwortung auf die Züchter, es ist auch regelrecht kontraproduktiv, erweckt es doch den Eindruck, dass die Erkrankung bei der Dogge eine bedeutende Rolle spielt, die eine tierärztliche Kontrolle erfordert.

Notwendig und angemessen wäre statt einer solchen Empfehlung in diesem Zusammenhang eine klare wissenschaftlich fundierte Stellungnahme des DDC als standardführendem Verein innerhalb der FCI, um den betroffenen Farbschlag der blauen Doggen eindeutig vom Vorwurf der Qualzucht freizusprechen.

Die passive Haltung beider Rasseclubs im VDH ist bedauerlich, denn neben einer Zuchtpolitik, die reale Gesundheitsprobleme in der Rasse in den Vordergrund stellt, ist es natürlich ebenso wünschenswert, dass man sich im Falle einer ungerechtfertigten Verdächtigung mit soliden wissenschaftlich fundierten Argumenten schützend vor den betroffenen Farbschlag stellt. Es bleibt zu hoffen, dass die angekündigte Zusammenarbeit mit Frau Dr. Ute Philipp, die stark in die Arbeiten Verdünnungsallel „d“ impliziert ist, hier endlich Fortschritte bringt und das Thema der Qualzucht hinsichtlich des blauen Farbschlags zu den Akten gelegt werden kann.

 


Bibliographie

Drögemüller C, P. U.-A. (2007). A noncoding melanophilin gene (MLPH) SNP at the splice donor of exon 1 represents a candidate causal mutation for coat color dilution in dogs. J Hered., 468-73.

Hargis AM, B. M.-B. (1991). Black hair follicular dysplasia in black and white saluki dogs: differentiation from color mutant alopecia in the doberman pinscher by microscopic examination of hairs. Vet Dermatol., 69–83.

Mecklenburg L. (2006). An overview on congenital alopecia in domestic animals. Vet Dermatol., 393–410.

Philipp U, H. H.-A. (2005). Polymorphisms within the canine MLPH gene are associated with dilute coat color in dogs. BMC Genet.

Philipp U, Q. P. (2005). Chromosomal assignment of the canine melanophilin gene (MLPH): a candidate gene for coat color dilution in Pinschers. J Hered., 774-6.

Welle M, P. U. (2009). MLPH Genotype—Melanin Phenotype Correlation in Dilute Dogs. J Hered., 75-79.