Doppel-Piebald – halb so schlimm? Betrachtungen zur Verwendung von Piebald in der Doggenzucht - Piebald und der Standard

Der Standard beschreibt eine schwarze Dogge wie folgt:

Lackschwarz, weiße Abzeichen sind zugelassen; hierzu zählen auch die Manteltiger, bei denen das Schwarz mantelartig den Körper bedeckt und Fang, Hals, Brust, Bauch Läufe und Rutenspitze weiß sein können, so wie Doggen mit weißer Grundfarbe und großen schwarzen Platten (Plattenhunde).

Für schwarze Doggen wird – im Gegensatz zu den Farben Gelb, Gestromt und Blau - im Standard keine maximale Ausbreitung der weißen Abzeichen definiert, die als Fehler oder ausschließender Fehler gewertet würde. Im "Leitfadens für DDC-Richter und Anwärter" wird lediglich erwähnt, dass mit Abzeichen über den Mantel hinaus keine Anwartschaft vergeben wird. Eine Zuchtzulassung können allerdings auch Hunde erhalten, deren Zeichnung als "fast weiß, keine Platten" bzw. die Platten als "klein und wenig" bezeichnet werden. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass der Rasseverein damit den Einsatz von Hunden zur Zucht gestattet, die eindeutig nicht dem Standard entsprechen, der klar "große schwarzen Platten" fordert. Interessanterweise trifft man in manchen Zuchtzulassungsberichten auf die beste (und einzige standardgerechte) Bewertung der Platten ("groß verteilt"), obwohl der beurteilte Hunde diesem Phänotyp eindeutig nicht entspricht.

Ob diese absurd großzügige Auslegung der Definition von „weißen Abzeichen“ im Sinne des Standards ist, muss offenbleiben, darf aber wohl legitim in Frage gestellt werden: Es liegt auf der Hand, dass auf der Basis von fast weißen Piebald-Trägern ohne Platten kaum farblich standardnahe Gefleckte erzüchtet werden können, bei  denen bekanntlich über den ganzen Körper gut verteilte, ungleichförmige, zerrissene, lackschwarze Flecken“ erwünscht sind.

Ein weiteres Problem bei der Verwendung  von Piebald-Trägern in der Doggenzucht ist die Tatsache, dass Piebald-Träger mit einer maßvollen, nicht über den Typ des Mantels hinausgehenden Ausprägung der Abzeichen oft heterozygot sind und damit bei der Anpaarung zweier solcher Hunde eine Aufspaltung (siehe Kreuzungschema oben) stattfindet. Der oft gesuchte „kosmetische Effekt“ der Aufhellung von zu dunklen und/oder stichelhaarigen Gefleckten durch piebaldbedingte Abzeichen wird also nicht stabil in die nächsten Generationen übergetragen, da er in der Regel meist nur bei den heterozygoten Piebaldträgern zufriedenstellend ausfällt, während die homozygoten bei den schwarzen immer und bei den gefleckte sehr häufig zu weiß ausfallen werden. Selbst die heterozygoten Piebalds können aufgrund der extrem variablen phänotypischen Ausprägung des Piebald-Gen eine breite Palette an Pigmentierungsniveaus aufweisen. Generell ist also eine zufriedenstellende Vorhersehbarkeit und Stabilität des farblichen Phänotyps nicht gegeben.

Es sei angemerkt, dass bei den Deutschen Doggen auch das bisher noch nicht identifizierte „Mantelgen“ (oder „True Irish Spotting“-Gen) existiert und für die weißen Abzeichen der Doggen verantwortlich zu sein scheint, die kein Piebald tragen. Dieses Gen liegt bei Manteldoggen offensichtlich homozygot vor, denn der echte Mantel vererbt sich ohne Aufspaltung: Aus zwei echten "Mänteln" entstehen immer nur Mäntel: Das Merkmal ist fixiert, so wie dies bei den Berner Sennenhunden der Fall ist. Auch ist die Bandbreite der Abzeichengrößen bei den Nachkommen echter Manteldoggen wesentlich geringer als bei heterozygoten Piebald-Trägern. Ist also - aus welchem Grund auch immer – eine Aufhellung der Grundfarbe erwünscht, liefert das Mantelgen eine deutlich besser kontrollierbare und im Gegensatz zu Piebald genetisch fixierbare Möglichkeit dazu. In Abwesenheit eines Gentests für das (hypothetische) Mantelgen kann eine für Piebald negativ getestete Dogge mit größeren bis mantelartigen weißen Abzeichen als echter (homozygoter) Mantel gelten.

Der amerikanische Standard unterscheidet sich vom FCI-Standard unter anderem durch die Bevorzugung eines reinweißen Halses bei den Gefleckten („a pure white neck is preferred“)…Hier macht die Verwendung von Hunden mit mantelartig ausgeprägten Abzeichen also durchaus Sinn. Konsequenterweise haben die Amerikaner in ihrem Standard zusätzlich zu den rein Schwarzen – bei denen schon weiße Zehen und ein weißer Brustfleck ebenso unerwünscht sind wie bei den Blauen, Gelben und Gestromten -  die schwarzen Manteldoggen als eigene Farbe aufgeführt. Der schwarze Mantel muss vollständig ausgeprägt sein, lediglich ein kleines weißes Abzeichen auf der Kruppe („break in the blanket“) ist zulässig. Plattenhunde werden hier also nicht zur Zucht zugelassen, nicht solche mit großen Platten, die der FCI-Standard ausdrücklich zulässt, und natürlich auch nicht noch weniger pigmentierte Doppel-Piebalds. JP Yousha, Präsidentin des Gesundheitskomitees des Great Dane Clubs of America  (GDCA), warnt eindringlich vor dem Einsatz von heterozygoten Piebald-Trägern und fordert die Züchter auf, ausschließlich auf echte Manteldoggen zu selektionieren, die rein gezüchtet werden können, indem sie ihre Hunde auf das Piebald-Gen testen lassen.

“Compared to the predictable consistency of markings the Irish gene produces, piebald is a wild card--the joker in the pack. So it's important to track the piebald gene & promote the Irish gene to protect our Harlequin/Mantle gene pool…There are far worse "sins" in the world of Harlequins than having a "fawn in the woodpile" and not dealing appropriately with the piebald gene is certainly one of them." (siehe bei Chromadane)

Während bei den Amerikanern somit die zugelassenen Abzeichen und das standardfixierte Zuchtziel in logischer Weise übereinstimmen, herrscht ein bemerkenswerter Widerspruch zwischen der großzügigen Auslegung der erlaubten weißen Abzeichen bei schwarzen Zuchthunden und dem Zuchtziel des Gefleckten laut FCI-Standard mit über den ganzen Körper gut verteilt Flecken. Hinzu kommt eine oft inkohärente Bewertung des Weissanteiles von Gefleckten und Schwarzen beim Richten im Ausstellungswesen: Während eine reinweiße Brust und ein weißer Hals bei einem Gefleckten in aller Regel nicht beanstandet werden, besteht die Tendenz, große weiße  Abzeichen, also beispielsweise die Mantelzeichnung, bei Schwarzen als Grund zur Abwertung zu nennen.

Nun ist Standardnähe sicher nicht das Maß aller Dinge…denn das sollte in der Hundezucht wohl eher die Gesundheit sein. Wie sieht es da hinsichtlich Piebald aus?