Die "Geheimnisse" der DNA - Grundlagen

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Genetik – „Geheimnisvolles“ bestimmt unser Leben?

Wir haben uns daran gewöhnt, dass Begriffe wie Gentechnik, DNA, genetischer Fingerabdruck usw. zu unserem Alltagsleben gehören – sogar im Fernsehkrimi geht es nicht mehr ohne "DNA-Abgleich", und Arbeitgeber und Versicherungen könnten höchst interessiert sein an unserem „Genom“. Auch in der Hundezucht werden nicht nur vom Züchter sondern sogar vom informierten Welpenkäufer heute zumindest genetische Grundkenntnisse erwartet,  zum Beispiel bei der Bewertung von Gentests.

Aber was steckt eigentlich hinter all diesen Begriffen? Wie funktioniert Vererbung, wieso ist jedes Lebewesen dank seiner genetischen Anlagen so einzigartig und welche Rolle spielt zum Beispiel die DNA dabei?
Eines sei vorweg gesagt: Wie groß der Erkenntnisgewinn rund um die Genetik in den letzten Jahrzehnten war, auch Wissenschaftler kennen die Antwort auf viele Fragen noch nicht. Im Gegenteil, mit jeder neuen Entdeckung erkennt man auch neue „Fragezeichen“, der Mensch ist noch weit entfernt davon, die Gene zu beherrschen.
Die Erläuterungen hier richten sich an genetische Laien, denn nach meinem Kenntnisstand gibt es kaum Angebote, die dem absoluten „Nichtgenetiker“ einen Zugang zu grundlegenden Erkenntnissen auf diesem Gebiet ermöglichen. Alle „Wissenden“ mögen daher Vereinfachungen und simplifizierte Vergleiche verzeihen bzw. sich mit der ihrem Kenntnisstand entsprechenden Fachliteratur auseinandersetzen.


DNA – die Basis der Vererbung

Erster und wichtigster genetischer Grundbegriff: DNA oder (deutsch) DNS – Desoxyribonukleinsäure (Säure = Acid). Das klingt chemisch, das ist chemisch! Chemie ist die Grundlage der gesamten Vererbung. Da den meisten von uns Chemie aus der Schule nicht gerade in bester Erinnerung ist: Ich werde mich im folgenden bemühen, die Dinge so unchemisch wie irgend möglich zu erklären.
Was also ist DNA? Riesengroße Moleküle, in denen all unsere Erbinformationen versteckt sind, und die trotzdem eigentlich einen relativ schlichten Aufbau haben. Kennen Sie Wimpelketten? Damit können wir diese Moleküle gut vergleichen: Das eigentlich interessante sind die „Wimpel“: Es handelt sich dabei um vier verschiedene Moleküle, sogenannte Basen, die sich in ihrem chemischen Aufbau und damit auch in ihrer Form unterscheiden: Sie heißen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin. Wir wollen sie hier durch bestimmte Formen und Farben kennzeichnen:

Grundstruktur der DNA
Und nun stellen Sie sich eine solche Wimpelkette aus Milliarden von aneinandergereihten Wimpeln vor! Dann haben Sie die grobe Grundstruktur eines DNA-Moleküls vor Ihrem „geistigen Auge“ - und damit den Hauptbestandteil unserer Erbsubstanz, der Chromosomen.

Chromosom - den Begriff kennen wir aus der Schule - das ist das "Ding“, auf dem die Gene liegen. Genau! Und die Informationen auf diesen Genen beruhen auf nichts anderem, als auf der Reihenfolge, in der die „Wimpel“ in der langen Kette aneinandergereiht sind. Diese vier verschiedenen „Wimpel“ bilden also eine Art „Geheimcode“, in dem alles verschlüsselt ist, was unsere erblichen Eigenschaften bestimmt. Codierungen kennen wir aus Agentenfilmen und vielleicht haben Sie selbst mal eine Geheimschrift erfunden. Einen ganzen Organismus auf dieser Basis aufzubauen ist aber spannender als jeder Film...


Der genetische Code

Die Geheimschrift der Gene, den genetischen Code, hat man schon vor relativ langer Zeit entschlüsselt. Hochinteressant ist dabei erst einmal, dass er für alle Lebewesen auf dieser Welt gleich ist, egal ob Einzeller, Hund oder Mensch.
Als erstes ergibt sich nun die Frage: Was wird da eigentlich verschlüsselt?
Die codierenden Gene verschlüsseln die Informationen über den Aufbau körpereigener Eiweiße. Nicht mehr und nicht weniger, was auf den ersten Blick erstaunlich wenig ist. Denn unser Körper besteht ja aus viel mehr Stoffen und komplexen Strukturen. Wir werden später sehen, wieso es prinzipiell für die Entwicklung unserer Merkmale ausreichend ist, den Eiweißaufbau zu vererben... Dafür etwas Geduld.

Und wie wird verschlüsselt?
Auch das ist eigentlich wieder relativ einfach: Alle unsere – auch noch so großen und komplexen – Eiweißmoleküle bestehen aus nicht mehr als 20 verschiedenen Grundbausteinen, den sogenannten Aminosäuren, die wie Perlen einer Perlenkette aneinandergereiht sind. Diese 20 Aminosäuren können aber in unterschiedlichster Zahl und Reihenfolge in einem solchen Eiweiß auftreten. Da Eiweiße in der Regel aus vielen hundert Aminosäuren bestehen, ergibt sich eine nahezu unendlich große Anzahl von möglichen Variationen. Mathefreaks können sich das gern mal am Beispiel eines kleinen Eiweißes aus nur 100 Aminosäuren ausrechnen...
Unsere DNA – genau genommen ein Gen - gibt nun also die Reihenfolge vor, in der die Aminosäuren in einem bestimmten Eiweiß aneinandergereiht sind.
Stellen wir uns das wieder bildlich vor: Die DNA hatten wir mit einer Wimpelkette verglichen, die Reihenfolge der Wimpel ist der Geheimcode. Nun haben wir uns das Eiweiß, das aufgebaut werden soll, als eine Perlenkette vorgestellt und die Aminosäuren als Perlen. 20 verschiedene Aminosäuren, also in unserem Modell 20 verschiedenfarbige Perlen, stehen uns zur Verfügung.
Wie kann man mit Hilfe von nur vier verschiedenen Wimpeln 20 verschiedene Perlenfarben verschlüsseln? Auch hier wieder eine ganz einfache Lösung: Die Kombination von jeweils drei Wimpeln (sozusagen ein „Wimpeldreier“, wissenschaftlich exakt ein „Basen-Triplett") steht jeweils für eine Perlenfarbe.

[Ganz schlaue Mathematiker werden jetzt ausgerechnet haben, dass es natürlich bei 4 Wimpelfarben 64 verschiedene Dreierkombinationen gibt. Richtig! Es gibt also durchaus mehrere „Wimpeldreier“ [= Basen-Triplets] , die die gleiche Perle [= Aminosäure] kennzeichnen. Außerdem brauchen wir noch ein Signal, dass anzeigt wo der Code für ein Eiweiß beginnt und wo er endet. Auch diese Start- und Endpunkte werden durch bestimmte Wimpelkombinationen gekennzeichnet.]

Zur Illustration des Vorganges ein vereinfachtes Beispiel für die Codierung einer "Perlenkette" aus nur drei Perlen:

Bildung von RNA nach Vorlage der DNA

Bildung von RNA nach der Vorlage der DNA

 


 

Als Vorlage erkennen Sie oben unsere DNA-Wimpelkette wieder. Da das DNA-Molekül wie gesagt riesig groß ist, und die Information für unvorstellbar viele "Perlenketten" verschlüsselt, wäre es sehr "unwirtschaftlich", die gesamte DNA als Vorlage an den Ort der Perlenkettenbildung (=Eiweißproduktion) zu bringen, denn die DNA befindet sich im Zellkern, während die Eiweiße außerhalb es Zellkerns produziert werden. Daher wird jeweils nur der kleine Teil abgeschrieben und aus dem Zellkern geschleust, der gerade für die aktuelle Produktion notwendig ist.

Diese Abschrift erfolgt wieder durch chemische Bindungen: Wie Sie sehen, passen jeweils zwei Wimpel optimal zueinander, so dass durch deren Verbindung eine umgekehrte Kopie der Original-DNA entsteht. Diese kleinen "Kopie-Wimpelketten" nennt man RNA (Ribonukleinsäuren).

 RNA-Strang nach Vorlage der DNA fertig - vereinfacht!
RNA für die Codierung einer Aminosäurekette ist fertig.


 

Hier ist nun durch Bindung unserer "Wimpel" aneinander ein kleines RNA-Molekül entstanden. Beginn und Ende der Kopie werden auch durch spezielle Basenreihenfolgen auf der DNA bestimmt. Ist das RNA-Molekül, also die kurze "Kopie-Wimpelkette", fertig, so löst es sich von der Vorlage (DNA) und wandert zum Ort der Eiweißproduktion (also aus dem Zellkern in den Zelleib, das sogenannte Zytoplasma).

[Dem aufmerksamen Beobachter wird in den Skizzen aufgefallen sein, dass sich diese RNA von der DNA etwas unterscheidet, zum Beispiel wird die Base Thymin der DNA (roter Wimpel) durch eine fast genau so aufgebaute namens Urazil (brauner Wimpel) ersetzt.]

 Vereinfachte Darstelung des genetischen Codes

Beispiel: Die RNA-Basentriplets ("Wimpeldreier") stehen jeweils für eine bestimmt Information (bunte Kugeln = Aminosäuren).

 

Hier sehen Sie jetzt in unserem vereinfachten Beispiel die Informationen, die das neu gebildete RNA-Molekül enthält. Die ersten drei Wimpel kennzeichnen den Beginn der Perlenkette, dann folgen drei Tripletts, die jeweils eine bestimmte "Perlenfarbe" (eine Aminosäure) codieren. Das Ende der Kette wird wieder durch einen Stop-Code gekennzeichnet.

Diese drei zusammengehörenden Basen werden auch als "Codon" bezeichnet, da sie jeweils eine Information des genetischen Codes, also der Geheimsprache unserer Gene, beinhalten. In unserem Beispiel: AUG = Start, GCU = hellblaue Perle (Aminosäure Alanin), CUU = rote Perle (Aminosäure Leucin), AGC = grüne Perle (Aminosäure Serin), UAA = Stop (oder sogenanntes "Nonsenscodon", weil keine Perle / keine Aminosäure dazu passt).

Natürlich sind die Ketten in der Realität wesentlich länger, aber hier geht es uns ja nur um das Prinzip.

[Alle die den "genetischen Code" genauer betrachten wollen, also wissen möchten welche Tripletts für welche Aminosäuren stehen, seien hier auf die Ausführungen zum genetischen Code in Wikipedia verwiesen.]


Vom Gen zum Produkt („Merkmal“)

Alle Leser, die bis hierher durchgehalten haben, wissen jetzt, wie die Übersetzung der in unseren Genen codierten Information funktioniert. Im Zellplasma werden also auf dieser Basis Eiweiße (Proteine) gebildet. Der Produktionsort heißt übrigens Ribosom. Und hier spielt die RNA eine entscheidende Rolle: Sie bildet, wie oben beschrieben, die Vorlage für die Herstellung der Aminosäure-"Perlenketten".

Die Aminosäuren selbst, also die Grundbausteine der Eiweiße, nehmen wir mit der Nahrung auf. Sie gelangen über den Darm in das Blut und von dort aus in jede einzelne Körperzelle. Hier können sie nach den in den Genen festgelegten Bauplänen zu den verschiedensten Eiweißmolekülen zusammengesetzt werden.

Diese Eiweiße bilden zum Beispiel die Grundstruktur vieler Zellbestandteile, denken Sie nur an die Muskulatur: Die Muskeleiweiße in den Muskelzellen sind Grundlage jeder Muskelbewegung. Ihr Aufbau wird also direkt durch das "Ablesen und Decodieren" der genetischen Information unserer DNA bestimmt.

Aber bekanntlich besteht unser Körper nicht nur aus Eiweiß, sondern auch aus verschiedensten anderen Substanzen, zum Beispiel vielen unterschiedlichen Kohlenhydraten, Fetten, Salzen und natürlich auch einer großen Menge Wasser. Alle organischen Stoffe, also außer dem Eiweiß insbesondere Kohlenhydrate, Fette und deren zahlreiche Verbindungen, werden von unserem Körper selbst produziert, in der Regel aus Grundbausteinen, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Der Aufbau solcher Stoffe kann nicht direkt durch unsere Gene gesteuert werden, denn diese verschlüsseln ja nur Eiweiße.

Und hier kommen wir auf den entscheidenden Punkt: Unser gesamter Stoffwechsel wird durch das Vorhandensein von Enzymen bestimmt. Diese Enzyme sorgen dafür, dass genau die Stoffe produziert werden, die unser Körper benötigt. Ein Organismus braucht Millionen unterschiedlichster Enzyme, um richtig funktionieren und alle notwendigen Stoffe aufbauen zu können. Und diese Enzyme sind - Sie werden es erraten haben - Eiweiße!

Wieder ein (vereinfachtes) Beispiel zum besseren Verständnis - die Produktion des Farbstoffs, der für die Farbgebung von Haut und Haaren ausschlaggebend ist: Melanin. Vielleicht wissen Sie bereits, dass es zwei verschiedene Varianten dieses Melanins gibt: Eumelanin (schwarz) und Phäomelanin (gelb-rot). Diese Farbstoffe sind selbst keine Eiweiße, sondern Endprodukte des Umbaus von farblosen Stoffen (in diesem Fall der Aminosäure Tyrosin), die wir mit der Nahrung aufnehmen. Trotzdem ist ihre Produktion von unserer genetischen Veranlagung abhängig, denn für diesen Umbau werden Enzyme benötigt, deren Aufbau wieder in unseren Genen festgelegt ist. Im stark vereinfachten Modell sieht das so aus:

 Produktion von Eumelanin und Phaeomelanin - vereinfacht

Nochmal: Die Enzyme (im Beispiel vier verschiedene!) sind Eiweiße, die auf Basis unserer genetischen Informationen gebildet werden. Wird eines der Enzyme nicht oder im Aufbau verändert gebildet, kann der entsprechende Farbstoff auch nicht oder nur verändert produziert werden. Im Extremfall, wenn also die Farbstoffproduktion ganz ausfällt, weil zum Beispiel Enzym A fehlt, ist das Lebewesen ein Albino.

Auf die Regelmechanismen, die bestimmen, wie viele Enzyme tatsächlich aktiv werden - und damit im Beispiel Einfluss auf unsere Hautfarbe haben - kommen wir im folgenden Abschnitt zu sprechen.

Unser obiges Beispiel ist natürlich noch ein relativ einfacher und nachvollziehbarer Vorgang, bei dem es sich aber schon um einen sogenannten "polygenen Erbgang" handelt, weil hier mehrere Gene die Produktion mehrerer Enzyme kodieren müssen. Viel komplizierter wird das Zusammenwirken der verschiedensten durch Enzyme gesteuerten Stoffwechselvorgänge, wenn man sich die Entwicklung des gesamten Organismus vorstellt. Schon um ein funktionsfähiges Organ zu bilden, sind in vielen Zellen unvorstellbar viele ineinander greifende Prozesse notwendig, deren Einzelheiten zum Teil bis heute nicht vollständig erforscht sind.


Regulation der Genablesung

Unser gesamtes Erbgut befindet sich im Zellkern jeder unserer Körperzellen, das heißt also auf unsere bildliche Vorstellung bezogen, die "Wimpelketten" mit sämtlichen Informationen über all die vielen möglichen "Perlenketten". Selbstverständlich werden nicht alle diese Informationen in jeder Zelle benötigt. Nehmen wir dafür wieder die Beispiele aus dem Teil vom Gen zum Merkmal:

Die Informationen für den Aufbau von Muskeleiweißen brauchen nur die Muskelzellen und die Informationen für die Farbstoffbildung werden für Haut und Haare benötigt. Eine Nervenzelle beispielsweise kann mit diesen Stoffen überhaupt nichts anfangen. Und sie bildet sie auch nicht, obwohl die genetische Information auch in ihrem Zellkern enthalten ist. Schon daraus lässt sich schlussfolgern, dass das Ablesen der "Geheimschrift" unserer Gene kontrolliert und gesteuert werden muss. Dabei sind zwei verschiedene Aspekte zu beachten:

  1. Jede Zelle setzt grundsätzlich nur die genetischen Informationen in Produkte um, die sie für ihre (oft hochspezifischen) Aufgaben benötigt. Alle anderen Gene werden in ihr vollkommen "abgeschaltet".
  2. Die Zellen müssen in der Lage sein, je nach Bedarf zu produzieren, also Produkte nur herzustellen, wenn sie auch benötigt werden. Also muss die Ablesung der in der Zelle prinzipiell "angeschalteten" Gene auch einer Regulation unterliegen.

Die Regelmechanismen sind ausgesprochen komplex und so vielfältig, dass immer noch neue Aspekte entdeckt werden. Auch hier ist trotz intensiver Forschung noch vieles unklar. Man weiß jedoch, dass nur ungefähr 10 Prozent unserer DNA (der "Wimpelketten") Informationen über zu bildende Eiweiße (also "Perlenkettengeheimschrift") enthält, die restlichen 90 Prozent wurden lange als eine Art "genetischer Müll" betrachtet. Diese Auffassung hat sich aber in den letzten Jahren drastisch geändert. So viel Verschwendung von Ressourcen wäre auch sehr erstaunlich! Heute geht man davon aus, dass diese in ihrer Funktion noch mehr oder weniger unerforschten DNA-Abschnitte besonders wichtige Aufgaben bei der gesamten Regulation der Genaktivitäten haben.

Jedem Gen, welches die Informationen für ein Eiweiß verschlüsselt, sind bestimmte DNA-Abschnitte vorgelagert, die die Bildung von RNA (siehe Skizze zum genetischen Code) regulieren: Diese kann gefördert oder auch verhindert werden. Wird die RNA-Bildung für dieses Gen verhindert, dann kann das jeweilige Eiweiß nicht gebildet werden (die Information der "Wimpelkette" wird nicht abgelesen, die entsprechende "Perlenkette" nicht produziert). Wird dagegen viel RNA gebildet, dann entstehen auch viele Produkte, also zum Beispiel Muskeleiweiße oder Enzyme.

Da die Zelle auf äußere Einflüsse reagieren muss, ist es notwendig, dass auch Regelfaktoren "von außen" relativ schnell auf den Prozess der Genablesung einwirken können. Auch hier gibt es viele verschiedene, zum Teil  wenig erforschte Wirkungsmechanismen. Ganz besonders wichtig für die Regulation der "Genablesung" entsprechend des Stoffwechselbedarfs sind körpereigene Substanzen, die uns allen bekannt sind: Die Hormone.

Hormone sind Botenstoffe, die unsere Zellen über "Neuigkeiten" im Organismus informieren, damit diese auf veränderte Bedingungen reagieren können.

Stellen wir uns das wieder am Beispiel der Produktion von Muskeleiweiß vor. Es ist allgemein bekannt, dass regelmäßiges Training eine Zunahme der Muskelmasse bewirkt. Die Muskelzellen werden also angeregt, mehr Muskeleiweiß zu bilden und dabei zu wachsen. Dieser Vorgang wird zum großen Teil durch Hormone beeinflusst, die der Zelle bei körperlicher Belastung mitteilen, dass sie ihren Stoffwechsel auf Produktion einstellen soll. Besonders bekannt ist in diesem Zusammenhang wohl Testosteron, aber Insulin hat mindestens genau so wichtige "aufbauende" (anabole) Wirkungen. Was bewirken diese Hormone also im Zusammenhang mit unseren Wimpelketten? Sie sorgen dafür, dass die entsprechenden "Wimpelkettenabschnitte", auf denen die Informationen für Muskeleiweißproduktion verschlüsselt sind, wesentlich häufiger als üblich in RNA übersetzt werden und daher wesentlich mehr Vorlagen für die "Perlenkettenproduktion", also die Herstellung von Eiweiß entstehen - mehr Vorlagen wiederum ermöglichen eine schnellere Produktion. (Dass dieser Mechanismus nicht direkt belastungs- sondern hormonabhängig ist, wird ja bekanntlich im Rahmen des Doping ausgenutzt.)

Ein relativ junger Wissenschaftsbereich, die sogenannte Epigenetik, beschäftigt sich mit umweltbedingten Regulationsvorgängen, also vereinfacht gesagt mit allen äußeren Einwirkungen, die zwar die DNA nicht in ihrem Aufbau verändern, aber dazu führen, dass die Ablesung des DNA-Codes (die Umsetzung der "Wimpelinformationen" in den Bau von "Perlenketten") beeinflusst wird. Dies sind vor allen Dingen chemische Veränderungen in der Umgebung der DNA, zum Beispiel im Aufbau der stützenden Eiweiße. Aber auch bestimmte winzig kleine RNA-Moleküle können die Bildung der eiweißcodierenden RNA beeinflussen. Für alle, die sich mit diesem hoch interessanten Thema intensiver beschäftigen möchten, hier der Link zu einem gut verständlichen Artikel: Epigenetik – Das molekulare Gedächtnis für Umwelteinflüsse? (Katrin Süring).


Schutz- und Reparaturmechanismen

Da wir nun wissen, wie wichtig für unseren Organismus die Informationen sind, die in unserer DNA gespeichert vorliegen, ist es logisch, dass es verschiedene Mechanismen gibt, um diese zu schützen und nach Beschädigungen wieder instand zu setzen.

Stellen wir uns wieder unsere Wimpelkette vor. Würden die Wimpel einfach an ihrem Seil aufgehängt und Wind und Wetter ausgesetzt, wie schnell wären dann Schäden zu erwarten. Und fehlt auch nur ein Wimpel, dann ist die Information für unsere Perlenkette unvollständig und es werden keine oder falsche Ketten aufgebaut. Auch in unseren Zellkernen ist die DNA sozusagen "Wind und Wetter" ausgesetzt. In diesem Falle allerdings in Form von zahlreichen chemischen Substanzen, die die Basen (Wimpel) angreifen und auch durch physikalische Einwirkungen (denken Sie nur an Strahlenwirkung!). Unser Körper versucht die DNA also möglichst zu schützen und gleichzeitig die Informationen zu sichern. Eine wichtige Rolle spielt hier wieder die Tatsache, dass unsere "Wimpel" (Basen), wie wir oben im Kapitel "Genetischer Code" gesehen haben, spezifisch zueinander passen. Die DNA-"Wimpelkette" besitzt aus diesem Grunde eine "Negativkopie" von sich selbst und bildet gemeinsam mit dieser den DNA-Doppelstrang, wie Sie ihn vielleicht aus Abbildungen kennen.

DNA-Soppelstrang - schematisch 

Unsere "Wimpelkette" als Doppelstrang, oben sozusagen das Original, unten die "umgekehrte Kopie".

Jeweils die "Wimpel" (Basen) A(denin) und T(hymin sowie C(ytosin) und G(unanin) passen zueinander und binden sich. Man spricht daher auch von sogenannten "komplemenären Basenpaaren".

   DNA-Doppelstrang  Räumliche Darstellung des DNA-Doppelstrangs in der typischen "Wendeltreppenform" = Dopplehelix (Quelle: Wikipedia)

Dies hat zwei Vorteile: Erstens sind die "Wimpel" durch ihre Bindung aneinander relativ geschützt vor äußeren Einflüssen, zweitens gibt es bei Beschädigung eines Wimpels auf einem Strang immer noch eine "Sicherheitskopie" auf dem anderen Strang.

Dieser Doppelstrang trennt sich daher nur vorübergehend auf dem benötigten Abschnitt, wenn es unbedingt notwendig ist: Also für die Bildung von RNA im Bereich des Gens, nach dessen Bauplan ein Eiweiß hergestellt werden soll und bei der Verdopplung der DNA für die Zellteilung schrittweise nach dem "Reißverschlussprinzip".

Weitere Schutzvorrichtungen sind zum Beispiel Eiweißmoleküle, die die DNA umgeben und der Wimpelkette gleichzeitig einen gewissen Halt verleihen.

Für die Reparatur wiederum gibt es verschiedene Enzyme im Zellkern, die beschädigte Kettenstücke "herausschneiden" und dank der vorhandenen Kopie auf dem zweiten DNA-Strang durch neue, richtig aufgebaute Abschnitte ersetzen können. Dies funktioniert natürlich nur, so lange nicht beide Stränge beschädigt sind. Ist die DNA erheblich geschädigt und kann nicht erfolgreich repariert werden, gibt es noch einen letzten Sicherungsmechanismus: Den kontrollierten Zelltod, sozusagen den Selbstmord der Zelle.

Versagen alle Reparaturmechanismen und die Zelle überlebt, dann hat eine Mutation des Erbguts stattgefunden. Dieser Vorgang kann die verschiedensten Folgen haben und wird daher (demnächst) in einem neuen Beitrag ausführlicher erläutert.