Die "Geheimnisse" der DNA - Grundlagen - Vom Gen zum Produkt („Merkmal“)

Vom Gen zum Produkt („Merkmal“)

Alle Leser, die bis hierher durchgehalten haben, wissen jetzt, wie die Übersetzung der in unseren Genen codierten Information funktioniert. Im Zellplasma werden also auf dieser Basis Eiweiße (Proteine) gebildet. Der Produktionsort heißt übrigens Ribosom. Und hier spielt die RNA eine entscheidende Rolle: Sie bildet, wie oben beschrieben, die Vorlage für die Herstellung der Aminosäure-"Perlenketten".

Die Aminosäuren selbst, also die Grundbausteine der Eiweiße, nehmen wir mit der Nahrung auf. Sie gelangen über den Darm in das Blut und von dort aus in jede einzelne Körperzelle. Hier können sie nach den in den Genen festgelegten Bauplänen zu den verschiedensten Eiweißmolekülen zusammengesetzt werden.

Diese Eiweiße bilden zum Beispiel die Grundstruktur vieler Zellbestandteile, denken Sie nur an die Muskulatur: Die Muskeleiweiße in den Muskelzellen sind Grundlage jeder Muskelbewegung. Ihr Aufbau wird also direkt durch das "Ablesen und Decodieren" der genetischen Information unserer DNA bestimmt.

Aber bekanntlich besteht unser Körper nicht nur aus Eiweiß, sondern auch aus verschiedensten anderen Substanzen, zum Beispiel vielen unterschiedlichen Kohlenhydraten, Fetten, Salzen und natürlich auch einer großen Menge Wasser. Alle organischen Stoffe, also außer dem Eiweiß insbesondere Kohlenhydrate, Fette und deren zahlreiche Verbindungen, werden von unserem Körper selbst produziert, in der Regel aus Grundbausteinen, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Der Aufbau solcher Stoffe kann nicht direkt durch unsere Gene gesteuert werden, denn diese verschlüsseln ja nur Eiweiße.

Und hier kommen wir auf den entscheidenden Punkt: Unser gesamter Stoffwechsel wird durch das Vorhandensein von Enzymen bestimmt. Diese Enzyme sorgen dafür, dass genau die Stoffe produziert werden, die unser Körper benötigt. Ein Organismus braucht Millionen unterschiedlichster Enzyme, um richtig funktionieren und alle notwendigen Stoffe aufbauen zu können. Und diese Enzyme sind - Sie werden es erraten haben - Eiweiße!

Wieder ein (vereinfachtes) Beispiel zum besseren Verständnis - die Produktion des Farbstoffs, der für die Farbgebung von Haut und Haaren ausschlaggebend ist: Melanin. Vielleicht wissen Sie bereits, dass es zwei verschiedene Varianten dieses Melanins gibt: Eumelanin (schwarz) und Phäomelanin (gelb-rot). Diese Farbstoffe sind selbst keine Eiweiße, sondern Endprodukte des Umbaus von farblosen Stoffen (in diesem Fall der Aminosäure Tyrosin), die wir mit der Nahrung aufnehmen. Trotzdem ist ihre Produktion von unserer genetischen Veranlagung abhängig, denn für diesen Umbau werden Enzyme benötigt, deren Aufbau wieder in unseren Genen festgelegt ist. Im stark vereinfachten Modell sieht das so aus:

 Produktion von Eumelanin und Phaeomelanin - vereinfacht

Nochmal: Die Enzyme (im Beispiel vier verschiedene!) sind Eiweiße, die auf Basis unserer genetischen Informationen gebildet werden. Wird eines der Enzyme nicht oder im Aufbau verändert gebildet, kann der entsprechende Farbstoff auch nicht oder nur verändert produziert werden. Im Extremfall, wenn also die Farbstoffproduktion ganz ausfällt, weil zum Beispiel Enzym A fehlt, ist das Lebewesen ein Albino.

Auf die Regelmechanismen, die bestimmen, wie viele Enzyme tatsächlich aktiv werden - und damit im Beispiel Einfluss auf unsere Hautfarbe haben - kommen wir im folgenden Abschnitt zu sprechen.

Unser obiges Beispiel ist natürlich noch ein relativ einfacher und nachvollziehbarer Vorgang, bei dem es sich aber schon um einen sogenannten "polygenen Erbgang" handelt, weil hier mehrere Gene die Produktion mehrerer Enzyme kodieren müssen. Viel komplizierter wird das Zusammenwirken der verschiedensten durch Enzyme gesteuerten Stoffwechselvorgänge, wenn man sich die Entwicklung des gesamten Organismus vorstellt. Schon um ein funktionsfähiges Organ zu bilden, sind in vielen Zellen unvorstellbar viele ineinander greifende Prozesse notwendig, deren Einzelheiten zum Teil bis heute nicht vollständig erforscht sind.