Farbgenetik Teil 1 - Die Grundlagen

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Das Quereinsteigen in die Farbgenetik der Deutschen Dogge gerät leicht zum frustrierenden Erlebnis…die Erbgänge scheinen von atemberaubender Komplexität zu sein, die Kombinationsmöglichkeiten unendlich und die verwendeten Kürzel wie Kbl und Em ähneln böhmischen Dörfern.

Dabei ist dieser Nebel eigentlich recht einfach zu lichten, wenn man nur am Anfang beginnt…

und dieser Anfang besteht in dem Verständnis von lediglich zwei Begriffsgruppen:

Sind diese fünf Worte erst einmal mit dem richtigen Inhalt gefüllt, erklärt sich der Rest (fast) von selbst. Ich möchte hier dazu das Bild eines Schalters benutzen…dieser soll unser Farbgen darstellen:

 

 

Wie man unschwer erkennt, kann unser Genschalter zwei Positionen einnehmen, eine für „Normal“ und die andere für „Aufgehellt“. Verschiedene Positionen, die ein Gen einnehmen kann, heißen Allele.

 

Schalter = Gen

Schalterposition = Allel

 

In unserem Fall gibt es zwei Schalterpositionen, also zwei verschiedene Allele für unser Gen, das wir Aufhellungsgen nennen wollen: Bei Pollux steht der Schalter auf „Normal“, er ist also Träger des Allels „Normal“ des Gens für Aufhellung. Dagegen trägt Wastl das Allel „Aufgehellt“ des Gens für Aufhellung: Wastl hat also eine hellere Fellfarbe als Pollux.

 

 

 

Häufig wird das Allel, was einen Effekt verursacht, der von der Norm abweicht, verwirrenderweise auch mit dem Wort Gen belegt: Bezogen auf unser Beispiel würde man also sehr oft hören: „Wastl hat das Aufhellungsgen, Pollux dagegen nicht.“ Richtig ist das so nicht ausgedrückt: Das Gen haben natürlich beide Hunde (sämtliche Hunde haben immer ALLE existierenden FarbGENE), nur haben sie zwei unterschiedliche Allele.

Bleibt noch die Frage, was denn eigentlich die Norm ist? Strenggenommen eigentlich der Wolf: Bei jedem Hund, der nicht wolfsfarben ist, hat man irgendwann im Laufe der Rasseselektion anormal gefärbte Tiere zur Zucht weiterverwendet, aus welchem Grunde auch immer. Heutzutage wird als Norm in der Regel die „typische“ Färbung erachtet und Allele, die diese Basisfarbe modifizieren, werden oft fälschlicherweise als „Gene“ bezeichnet…das Merle-Gen ist dafür ein bekanntes Beispiel.

 


 

Jetzt werden wir sehen, dass unser erstes Schaltermodell gar nicht mal so unrealistisch war:

Genotyp und Phänotyp von Emmi

 

 

 

 

Genotyp und Phänotyp von Cyann

 

 

 

 

 

Ein Allel, was die Dogge aufhellt, gibt es nämlich wirklich, nur dass sein Effekt nicht Aufhellung genannt wird, sondern Verdünnung. Da Verdünnung auf Englisch „Dilution“ heißt, wurde das Gen genauso benannt und die beiden Allele dazu großes D (für normal, also unverdünnt) und kleines d (für verdünnt). Dieses kleine d macht aus einer schwarzen Dogge eine blaue Dogge.

 


Die ganze Wahrheit ist das allerdings noch nicht: Es gibt auch Gene mit mehr als zwei Allelen…und in diesem Fall kann der Schalter nicht nur zwei sondern drei oder auch noch mehr verschiedene Positionen einnehmen. Ein Beispiel für ein Gen mit drei Allelen sind die drei Farben der Dogge schwarz, gestromt und gelb. Das entsprechende Gen nennt sich „Dominant Black“…was es mit diesem Namen auf sich hat, werden wir etwas später entdecken:

 

Genotyp und Phänotyp von Emmi

 

 

Genotyp und Phänotyp von Colleen

 

 

Genotyp und Phänotyp von Guada

 

 

 

3 Schalterpositionen entsprechen 3 verschiedenen Allelen. Demzufolge kann das Gen „Dominant Black“ wie auf dem Schema ersichtlich bei unseren Doggen drei verschiedene Fellfarben codieren. Glücklicherweise gibt es unter den für die Dogge bedeutsamen Farbgenen keines mit mehr als 3 Allelen…es bleibt also übersichtlich.

 


 

Jetzt muss ich etwas gestehen: Ich habe bisher immer noch nicht die ganze Wahrheit gesagt: In Wirklichkeit hat jeder Hund nicht nur einen solchen Gen-Schalter sondern deren zwei, von denen je einer von jedem Elternteil ererbt ist. Diese zwei Schalter, die als Kopien dieses Gens bezeichnet werden, können entweder beide in der gleichen Position oder auch jeder in einer anderen Position stehen: Mit anderen Worten, entweder tragen beide dasselbe oder aber jeder ein anderes Allel. Sind beide Allele identisch, nennt man diesen Zustand homozygot, sind sie dagegen unterschiedlich, ist der Hund in Bezug auf dieses Gen heterozygot. Im Schema sieht das dann wie folgt aus:

Genotyp und Phänotyp von Emmi

 

 

Genotyp und Phänotyp von Etzel

 

 

Genotyp und Phänotyp von Cyann

 

 

 

Für Emmi ist der Fall klar: Beide Schalter des Gens „Dilution“ sind in Position D = unverdünnt, also ist sie schwarz. Sie ist homozygot schwarz.

Auch bei Cyann ist die Situation einfach: Beide Allele sind d = verdünnt, also ist ihr schwarz verdünnt zu blau. Sie ist also homozygot blau.

Aber wie sieht es bei Etzel aus? Er besitzt ein Allel D und ein Allel d…er ist für das Gen „Dilution“ also heterozygot.

Wieso ist er auch einfach nur schwarz wie Emmi ? Hier müssen wir uns mit zwei weiteren der oben erwähnten Begriffen anfreunden: Etzel ist schwarz, weil D (unverdünnt) dominant gegenüber d (verdünnt) ist. Umgekehrt ausgedrückt ist damit d rezessiv gegenüber D: Ein Hund braucht lediglich ein dominantes Allel, damit dessen Wirkung vollständig sichtbar wird, während das rezessive Allel in diesem Fall völlig unsichtbar bleibt. Im Schaltermodell wäre es zu vergleichen mit einer Glühbirne, die immer mit der gleichen Leuchtkraft strahlt, egal ob nur einer oder beide Schalter in der Position „Ein“ stehen. Damit die Glühbirne aus ist, müssen jedoch beide Schalter auf „Aus“ stehen: Dies ist bei Cyann der Fall und aus diesem Grunde ist nur sie blau. Einen solchen Erbgang nennt man dominant-rezessiv (eigentlich logisch…). Eine logische Schlussfolgerung kann man hier aus dem bisher Gesagten ziehen: Ein rezessives Allel wird immer nur sichtbar, wenn es auf beiden Genkopien vorliegt…also nur dann, wenn es der Hund für das betreffende Gen homozygot rezessiv ist. Von daher ist es genaugenommen nicht notwendig, Cyann als „homozygot blau“ zu bezeichnen…denn „heterozygot blau“ gibt es nicht.

Im Allgemeinen benutzt man zur Bezeichnung von dominanten Allelen Großbuchstaben, für rezessive Allele verwendet man die entsprechenden Kleinbuchstaben…bei mehr als zwei Genen benutzt man zusätzlich Indexe, wie wir im nachfolgenden Beispiel sehen werden.

Beim oben beschriebenen Erbgang der Verdünnung von schwarz zu blau wird deutlich, was man unter einem versteckten Träger eines Allels versteht: Wenn ein rezessives Allel (in unserem Beispiel das d von Etzel) gemeinsam mit dem dominanten Allel desselben Gens vorhanden ist, kann man dies wie gesagt von außen nicht erkennen…Emmi und Etzel sind beide gleich schwarz: Ihr Phänotyp (die äußerliche Erscheinung) ist völlig identisch, der Genotyp (= die Allele, auf denen diese Erscheinung beruht) jedoch unterschiedlich.

 


Warum so ein Theater um etwas, was man ohnehin nicht sieht ? Weil diese versteckten Allele unter bestimmten Umständen bei den Nachkommen sichtbar werden...doch dazu kommen wir erst später. Zunächst wollen wir betrachten, wie es sich mit der Dominanz und Rezessivität bei unserem Erbgang mit drei verschiedenen Allelen verhält: Das Gen „Dominant Black“ kann wie erwähnt drei verschiedene Allele tragen…also können bei zwei Genschaltern logischerweise sechs Variationen an Schalterpositionen vorkommen:

Genotyp und Phänotyp von Emmi

Genotyp und Phänotyp von Etzel

Genotyp und Phänotyp von Dipta

Genotyp und Phänotyp von Colleen

Genotyp und Phänotyp von Adagio

Genotyp und Phänotyp von Guada

 

Wer mutig ist, liest hier noch nicht weiter, sondern versucht allein herauszufinden, welches Allel hier dominant und welches rezessiv gegenüber welchem anderen Allel ist…

Wie der Name des Gens schon verrät, ist das Allel der schwarzen Fellfarbe Kbl dominant, und zwar sowohl über das Allel kbr des gestromten Fells als auch über das Allel ky der gelben Färbung. Deswegen reicht ein einziges Allel Kbl, damit unsere Dogge Schwarz ist, egal welches andere Allel sie trägt : Emmi, Etzel und Dipta haben alle denselben Phänotyp obwohl der Genotyp nicht identisch ist: Etzel und Dipta sind versteckte Träger von kbr bzw. ky, denn die gegenüber Kbl rezessiven Allele kbr und ky sind nicht von außen sichtbar:

Was passiert, wenn das Allel Kbl auf keiner der beiden Genkopien zu finden ist? In diesem Fall ist der Hund gestromt, wenn mindestens ein Allel für die Stromung kbr vorliegt: kbr ist also dominant gegenüber ky (aber wie gesehen rezessiv gegenüber Kbl). Adagio ist versteckter Träger des Allels für Gelb ky.

Und nur wenn zwei Allele für die gelbe Fellfarbe ky vorliegen, wie dies bei Guada der Fall ist, ist der Hund auch gelb, denn ky ist in logischer Konsequenz des Gesagten rezessiv sowohl gegenüber kbr als auch gegenüber Kbl : Ein rezessives Allel muss wie bereits erwähnt, stets homozygot vorliegen, damit es sichtbar werden kann.

 


 

Wir sind beinah fertig…fehlt nur noch der Endspurt: Was hat ist ein intermediärer Erbgang?

Genotyp und Phänotyp von Calie

 

 

Genotyp und Phänotyp von Einstein

 

 

Genotyp und Phänotyp von Emmi

 

Vom Gen Merle gibt es zwei Allele: eines, das Allel M – wie oben erwähnt, oft nicht ganz richtig „Merle-Gen“ genannt - bewirkt eine unregelmäßig verteilte Verdünnung der Fellfarbe. Das Allel m bewirkt…nichts, was von außen sichtbar wäre.

Fangen wir mit dem einfachsten Fall an, und das ist mal wieder Emmi: kein Schalter steht in Position des Allels M und mit zwei Allelen m haben wir keine sichtbare Wirkung: Emmi ist und bleibt schwarz.

Einstein dagegen hat EIN Allel M und ein Allel m: Das Allel M bewirkt durch die erwähnte unregelmäßige Verdünnung die für den Grautiger typischen Zeichnung von zerrissen aussehenden schwarzen Flecken auf grauem Grund.

Calie wiederum hat ZWEI M-Allele…und sieht ganz anders aus als Einstein: Sie ist überwiegend weiß und hat nur ein paar graue Flecken, die ihrerseits mit kleinen schwarzen Flecken getüpfelt sind…mit anderen Worten: Ihre Fellfarbe ist viel stärker verdünnt als die von Einstein. Abgesehen davon besteht ein hohes Risiko, dass sie taub ist (Wieso das so ist, werden wir bei den Erläuterungen zum Thema „Gefleckt-Kreuzungen“ sehen…)

Die Merle-Fellfarbe ist ein Beispiel für einen sogenannten intermediären Erbgang, dessen Name daher rührt, dass hier keine dominanten und rezessiven Allele vorliegen: Demzufolge gibt es auch kein (dominantes) Allel, dass den Effekt des (rezessiven) Allels unterdrücken würde, so wie wir das im Beispiel des „Dilution“-Gen gesehen haben, dessen verdünnendes Allel d nicht mehr sichtbar ist, sobald es sich in Gesellschaft eines Allel D befindet: In einem intermediären Erbgang gibt es also nie versteckte Träger.

Die Ausprägung der Wirkung der Allele folgt daher in abgestufter Weise und in drei Stufen, wenn es wie im Beispiel des Erbgangs für Merle zwei Allele gibt: Gibt es nur das Allel m in zweifacher Ausführung, wie bei Emmi, kann es natürlich keinerlei Verdünnung geben, daher ist Emmi schwarz. Liegt ein Allel M und ein Allel m vor, findet die durch das Allel M bewirkte unregelmäßige Verdünnung der Fellfarbe statt und wir haben einen Grautiger wie Einstein vor uns. Tragen alle beide Genkopien das Allel M, verstärkt sich die Verdünnung weiter, bis hin zum großflächigen Verschwinden jeden Pigments, wodurch große weiße Flächen entstehen, mit oft nur noch vereinzelten grau-schwarzen Flecken. In Analogie zum Schaltermodell ist ein solcher intermediärer Erbgang vergleichbar mit einer Glühbirne, deren Leuchtkraft variiert, je nachdem, ob nur einer (= halbe Leuchtkraft) oder beide Schalter (volle Leuchtkraft) auf „Ein“ stehen.

 

Mit dem hier dargestellten Basiswissen ist es nun mit Sicherheit kein Problem mehr, die verschiedenen Farbschläge der Dogge und ihre Erbgänge zu verstehen.